Bereits vor zwei Jahren in etwa habe ich das Buch „Kopf schlägt Kapital: Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen“ von Günther Faltin gelesen.
Ein häufig genannter Grund nicht selbstständig zu werden ist, dass es 1) nahezu zwangsläufig in jahrelanger Fremdausbeutung resultiert. 2) Ist die Ansicht verbreitet, dass diverse Fähigkeiten notwendig sind und das 3) ein großes Kapital nötig ist.
Selbstständig = selbst und ständig?
Faltin räumt vor allem mit der Vorstellung auf, dass Unternehmertum immer in Selbstausbeutung resultieren muss. Auch weist Faltin anhand verschiedener Beispiele – und nicht zuletzt eigener Erfahrung nach, dass zur Gründung eines Geschäftes mitnichten immer große Mengen Kapital und eine Menge unterschiedlicher Fähigkeiten vonnöten sein müssen. Vielmehr kommt es auf ein gut durchdachtes Ideenkonzept an. (Langweilige) Teilaufgaben des Geschäftsalltages wie Rechnungswesen, Logistik (Lagerhaltung, Versand etc.) oder auch Sekretariat lassen sich als sogenannte Komponenten in das Ideenkonzept integrieren. Das hat nicht nur den Vorteil diese Teilaufgabe nicht selbst erledigen zu müssen, sondern bewirkt auch, dass man sie gar nicht en detail verstehen muss (*).
Nicht zuletzt hebt man den delegierten Teilbereich des eigenen Geschäftes sofort auf eine professionelle Ebene. Ein Versandtdienstleister ist mit großer Wahrscheinlichkeit in der Lage den Versand von Waren effizienter und trotz eigener Marge kostengünstiger zu organisieren, als man das selbst könnte. Daher macht es eigentlich keinen Sinn im Falle eines Warenversandgeschäftes Waren selbst zu lagern bzw. zu versenden. Sinnvoller wäre die Delegation dieser Aufgabe an einen Dienstleister, eine Komponente.
(*) Hier kommt immer Skepsis auf. Machen Sie sich bitte klar, dass Sie ständig die verschiedensten Dinge machen ohne Sie en detail zu verstehen. Wie fernsehengucken, autofahren, Computer verwenden oder auch Zahncreme verwenden. Die Liste ist endlos.
Problem: Startkapital. Lösung: Klein und langsam beginnen.
Die meisten Geschäfte lassen sich langsam und Schritt für Schritt hochfahren. Man muss nicht sofort den eigenen Job kündigen und vom Geschäft leben können. Möchte man z.B. eine Ware verkaufen, so kann man zunächst mit geringer Stückzahl beginnen. Möchte man eine Dienstleistung anbieten, so kann man diese zunächst nur wenige Stunden in der Woche oder im Monat anbieten. Dadurch lässt sich nicht notwendig sofort das eigene Leben finanzieren, es wird aber auch nicht sofort die ganze Zeit und eine große Menge Geld nötig. Auch ist im Falle eines Fehlschlags ist nicht allzu viel verloren. Nicht selten kann man schon allein durch frugale (=sparsam im Sinne kreativ aus wenig mehr zu machen) Lebensweise über einen überschaubaren Zeitraum ein Startkapital ersparen. Statt Banken kann man ggf. Bekannte fragen (nach Geld oder gar Beteiligung).
Faltin nimmt daher auch Abstand vom Begriff der Selbstständigkeit oder der Unternehmertums und verwendet den Begriff ‚Entrepreneurship‘. Ein Entrepreneur ist jemand, der sich nicht wie mittelalterliche Kaufleute mit allen Aspekten des eigenen Geschäftes (von der Produktion über die Verpackung hin zum Transport, das Marketing, rechtliche Rahmenbedingungen etc.) auskennt, sondern vor allem daran interessiert ist die zugrundeliegende, kreative Idee zu entwickeln und die Geschäftsstrategie zu verfolgen und zu entwickeln.
Beispiel: Die Teekampagne.
Als vollständiges Beispiel betrachten wir Faltins selbst mitgegründetes Unternehmen, die Teekampagne.
Das Ideenkonzept.
Die Teekampagne verkauft außschließlich schwarzen und grünen Darjeeling Tee – außschließlich in Großpackungen. Darin steckt eine Minimierung des Aufwandes gegenüber mehreren 100 Teesorten eines ordinären Teegeschäftes. Großpackungen machen zudem einen guten Preis möglich.
Die Teekampagne garantiert die Herkunft de Tees (viele andere Tees, die sich Darjeeling nennen sind verschnitten) und eine gute Qualität (per Rückstandanalye: mehr und mehr Tees folgen seit dem Agieren der Teekampagne diesem Beispiel). Nicht zuletzt führt das Unternehmen Teekampagne mit Teilen des erwirtschafteten Gewinns ökologische Maßnahmen im Anbaugebiet Darjeeling in Indien durch und hilft faire Arbeitsbedingungen aufzubauen. Ein Bilderbuchbeispiel eines ökosozialen Unternehmens.
Die Komponenten.
Faltin schreibt er habe keine besonderen Kenntnisse in Sachen Tee. Er sei selbst sogar eher Kaffeetrinker. Die Wahl der Komponenten zeigt, dass auch sonst wenige Spezialkenntnisse nötig waren/sind. Der Tee wird in Darjeeling (Indien) in Einheiten zu einer oder mehr Tonnen bestellt und durch ein Logistik-Dienstleister erst per LKW, dann er Schiff und wieder per LKW geliefert (z.B. Hapag-Lloyd AG), in Großpackungen verpackt und zum Versand- und Rechnungslegungsdienstleister (Projektwerkstatt GmbH) gebracht und von dort bei erfolgender Online-Bestellung zum Endkunden geschicht. Der Online-Shop wird auch durch die Projektwerkstatt GmbH zur Verfügung gestellt. Das Sekretariat übernimmt Ebuero. Der Entrepreneur hat die Hände frei und kann sein Ideenkonzept entwickeln. Über die Zeit waren das, die nun standardgemäß durchgeführten Rückstandsanalysen des Tees, die Garantie der Herkunft und das ökosoziale Engagement in Darjeeling.
Startkapital.
Auch wenn Faltin nur mit einer einzigen Teelieferung begonnen hat, war natürlich ein Startkapital notwendig, aber dennoch viel weniger, als gemeinhin angenommen wird. Ein paar tausend Euro waren nötig – mehr nicht. Das sind keine Summen, die einen für immer aufhalten.
Weitere Beispiele sind RatioDrink, die Weinkampagne oder auch Die Silber Zahnbürste. Sehr spannend war das jährlich stattfindende Entrepreneurship Summit, wo ich im letzten Jahr war und unter anderem Declan Kennedy bei einem Rotwein (der Weinkampagne) genauer kennengerlernt habe. Declan Kennedy war zusammen mit seiner Freu Magrit Kennedy einer der entscheidenden Wegbereiter der Permakultur in Deutschland. Es waren dort auch viele andere spannende Leute anwesend. Die Webseite ist irre informativ. Dort findet man sehr viel interessante Lese- und Schaustoff!
Erste Schritte mit Faltins Modell.
Kein Unternehmen, aber ein Projekt, dass dieses Jahr im Rahmen der Transition Town Hamburg durchführt wird, dass dem Modell von Faltin nachempfunden ist, ist die Bienenkistenkampagne. Nicht wenige Leute haben sich bereits im letzten Jahr für das wesensgemäße Imkern in der Bienenkisten interessiert und Kisten gekauft bzw. gebaut. Wesensgemäßes Imkern ermögich bei einem Zeiteinsatz von circa 12 Stunden im Jahr eine Ernte von bis zu 15kg Honig im Jahr. Nun sind die bislang angebotenen Bienenkisten zwar schön und sehr gut, aber auch recht teuer. Wir haben uns bemüht eine billigere Variante zu fabrizieren, um damit auch Personen mit etwas geringerem Budget zu diesem Hobby zu verhelfen. Das machen wir dieses Jahr zuerst lokal für 9 Interessenten in Hamburg möglich. Der erzielte Überschuß fließt in gemeinnützige Projekte. Die Pläne gibt es open source im Netz, die Materialien besorgen wir im Sinne der Komponenten bei einem holzverarbeitenden Betrieb, bauen sie aber selbst zusammen.
Die Bienenkistenkampagne hat insbesondere den Charme, dass sie ein lokales Produktionsmittel darstellt und somit zumindest schon einmal in Sachen Honig Interessierten eine produktive Ressource in die Hände gibt. Sicher nichts wovon man leben könnte, immerhin aber auch keine Geldsenke.
Es finden noch weitere Projekte in meiner Umgebung statt, von denen ich weiß und mit denen ich schon die ein oder andere Ideenöffnungsrunde gemacht habe. Durch den Austausch von Kompetenzen und Zeit bringt das uns gegenseitig voran. Bei Gelegenheit mehr dazu.
Für wen nach diesem Artikel noch viele Fragen offen geblieben sind, dem kann ich Faltins Buch Kopf schlägt Kapital: Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen ans Herz legen. Wer mehr über Finanzierungsstrategien, Ideenfindungstechniken und weitere (insbesondere ökosoziale) Beispiele erfahren möchte, möge sich noch etwas gedulden. Im Rahmen unserer Koorperation werden wir im Juni mit der W3 und Transition Town in Hamburg zu diesem Thema einen ersten Kurzworkshop veranstalten. Näheres folgt auf dieser Seite oder unter http://tthamburg.wordpress.com.
3 Kommentare
[…] habe letztes Jahr Declan Kennedy auf einem seiner Vorträge auf dem Entrepreneurship Summit gesehen und am Abend am Stand der Weinkampagne kennengelernt. Die Weinkampagne bietet Weine in […]
Good Day, Guten Tag,
Wir leben in Asien und hier ist das Entrepreneur Leben taeglich zu sehen und es wird vollzogen in jeder Richtung.
Beispiel, gibt es Busunternehmer die eine regular Line in eigener verandwortung unterhalten. Beispiel Strecke Ruhrgebiet–Bremen-Hamburg also Im Pendel verfahren!?
Dies ist hier taegliche Altag Jederman kann dieses Geschaeft anfangen.
Oder mach Deine eigene Hausmanskueche, oder Verkaufe nur Bananen an der Ecke oder bei den Buerovierteln
Ah, dortbesonders wo viele Bueros sich angesiedelt haben, mach Deinen BringService fuer Fruehstueck Dienstleistungen gibt es wi Sand am Meer.
Ich weiss in Germany ist alles gereglet,geregelt,
Sag dem Arbeitsamt, was moechte der Staat Steuern einnehmen oder dich regelmaessig eine Ueberweisung senden vom Arbeitsamt. Du moechtest etwas tun ohne viele Genehmigungen etc.etc.
Dies von hier dazu.
Kind Regards Pidrus
When I’m in Germany and nochmals um die 30j. Ich wuerde denen schon zeigen was zu machen ist in germany.
Interessant. Naja: ich habe viele dieser kleinen Unternehmungen auch in Südamerika erlebt. Solcherlei Geschäfte in Deutschland zu betreiben halte ich z.T. für schwieriger. Vielleicht sind die Deutschen aber auch nur nicht kreativ genug… man spricht ja auch gelegentlich von der Dienstleistungswüste Deutschland 🙂