Es ist schon länger her, dass hier erstmals über die Eigenschaften einjähriger und mehrjähriger Pflanzen für den Gebrauch als Nahrungsmittelpflanzen geschrieben wurde. Das waren diese Texte hier: Teil 1: Über Einjährige und Teil 2: Über Mehrjährige.
Wir hatten versprochen, im Bezug auf essbare mehrjährige Pflanzen konkreter zu werden: nun ist es so weit.
In diesem Artikel möchte ich gerne auf drei Aspekte essbarer mehrjähriger Pflanzen eingehen:
1) Baumgilden: Das sind Pflanzgemeinschaften verschiedener mehrjähriger Pflanzen, meist mit einem (zentralen) Obst- oder Nussbaum. Rundherum gepflanzt werden sogenannte Förderpflanzen. Diese unterstützten das Wachstum des Zentralbaums und helfen, dessen Erträge zu steigern.
2) Exoten: essbare Mehrjährige. Manche mehrjährigen Pflanze erscheinen in Deutschland vielleicht eher exotisch, sind es aber definitiv wert, ausprobiert zu werden, weil sie den Teller bereichern und teilweise auch in der sonst ernteschwachen Periode Januar bis März Erträge liefern! Für weitere Argumente zum Für und Wider bitte die anderen Artikel lesen (s.o.). Dazu geben wir weiter unten eine Liste inklusive Saatgutquellen (Links). Teilt uns doch bitte mit, welche Erfahrungen ihr mit ihnen gemacht habt! Wir werden selbst über Erfahrungen berichten!
3) Polykulturen. In einer Monokultur wird nur eine Pflanzenart angebaut, während man in Polykulturen (auch Mischkultur genannt) verschiedene Pflanzen (chaotisch oder in Mustern) durcheinander pflanzt. Ich möchte auf Vorteile (und Nachteile) der Mischkultur und Beetnachbarn eingehen.
Teil 1 – Baumgilden
In der Baumgilde (bei Kleber heißen sie auch Obstbaumlebensgemeinschaften) werden ein oder mehrere Obstbäume von einer Vielzahl weiterer Pflanzen unterstützt, die um den zentralen Baum gepflanzt werden. Man nennt sie Förderpflanzen. In der Baumscheibe wird als erstes der Baum in die Mitte gepflanzt – im Spätherbst oder Winter. Zur Unterstützung werden dann im folgenden Frühling Kräuter, Stauden und Sträucher z.T. wechselnd in Kreisen um den Baum gepflanzt. Bei der Pflanzung der Förderpflanzen ist es hilfreich, auf deren unterschiedliche Bedürfnisse (z.B. nach Licht) zu achten.
Das Schlimmste, was man einem jungen Baum antun kann, ist unter ihm Gras zu pflanzen. Gras “jagt” im selben Gebiet (nahe der Oberfläche) nach Nährstoffen und setzt Chemikalien frei, die das Wachstum junger Bäume behindern. Wenn wir einen Baum unterstützen wollen, pflanzen wir in Kreisen um ihn nützliche Spezies. Dazu gehören (mit Beispielen):
- Stickstofffixierer : Lupinen, Erbsen, Bohnen, Klee, Luzerne
- Bodendecker: Gundelrebe, Kapuzinerkresse, Vogelmiere, Winterpostelein
- Gesundheit für Bäume: Brennessel, Beinwell, Rainfarn, Meerrettich, Wermut, Löwenzahn, Knoblauch
- Mineralakkumulatoren: Beinwell
- Insekten- und Nektarpflanzen: Taubnessel, Wilde Möhre, Schafgarbe, gewöhnlicher Dost, Wegwarte
(die kursiv geschrieben Pflanzen sind in unseren Breiten als mehrjährige bzw. ausdauernde verfügbar)
Bei den Pflanzungen geht man meist so vor, dass im innersten Ring hauptsächlich Mulch und Bodendecker eingesetzt werden, einfach um das Gras davon abzuhalten, den Baum zu ersticken. Dieser innere Kreis kann bis zu einem Meter Durchmesser haben. Danach folgt der Staudenring, der mit Stickstoffsammlern, Insekten anlockenden Pflanzen und Pflanzen, die verschiedenen Baumkrankheiten vorbeugen, bestückt wird. Diese haben meist mehrere Funktionen, wie zum Beispiel der Beinwell, der sowohl guter Mulch als auch Jauche (=Nährstoffquelle und/oder Krankheitsbehandlung) ist, Insekten anlockt, essbar ist, tiefe Wurzeln hat die Mineralien aus tiefen Schichten an die Oberfläche holt und auch medizinisch sehr potent ist.
Wenn man mehr über die Baumgilden erfahren möchte, empfiehlt sich eine Lektüre des Buches Gärtnern im Biotop mit Mensch in dem das Konzept ausführlich behandelt wird.
Teil 2: Essbare Mehrjährige
Wenn ihr gerne mal in der Küche etwas ausprobiert und mehr mehrjährige Pflanzen ausprobieren wollt, lasst euch doch mal von den folgenden, in Deutschland höchstwahrscheinlich winterharten mehrjährigen Pflanzen inspirieren. Über die Links (sofern vorhanden) auf den Pflanzennamen kommt ihr zu Händlerseiten, die passendes Saatgut anbieten.
- Asimina triloba – Indianerbanane (nicht günstig, aber absolut genial! Die Früchte schmecken wie eine Mischung aus Mango, Apfel, Banane und die Pflanze fixiert noch ihren eigenen Stickstoff; Frank baut sie seit 3 Jahren an)
- Allium ursinum – Bärlauch (schmeckt knoblauchartig)
- Oenanthe javanica – Java-Wasserfenchel
- Levisticum officinale – Liebstöckel
- Sagittaria latifolia – Pfeilkraut
- Sium sisarum – Zuckerwurzel
- Campanula rapunculus – Rapunzelglockenblume
- Camassia quamash – Prärielilie
- Lathyrus tuberosus – Knollige Platterbse
- Chaerophyllum bulbosum – Kerbelrübe – 2jährig und Echte Kerbelrübe (Anthriscus cerefolium)
- Myrrhis odorata – Süßdolde
- Cryptotaenia japonica – Mitsuba oder auch Japanische Petersilie
- Chenopodium bonus-henricus – Gute Heinrich
- Aruncus dioicus, Syn. sylvestris – Wald Geissbart
- Colocasia esculenta – Taro – (nur mit Schutz oder drinnen überwintern)
- Aralia cordata – Udo
- Taraxacum officinale – Löwenzahn … naja den muss man wohl eher nicht kaufen
- Cicorium intybus – Chicoree – gemeine Wegwarte
- Helianthus tuberosis – Topinambur (kann man häufig auch am Straßenrand finden – bildet unendlich viele hervorragende, leckere Knollen)
- Petasites japonicus- Fuki – japanische Pestwurz
- Scorzonera hispanica – Garten-Schwarzwurzel
- Brassica oleracea var. ramosa – Ewiger Kohl
- Bunias orientalis – Orientalische Zackenschötchen/Türkische Rauke
- Crambe maritima – Kleiner Meerkohl
- Diplotaxis muralis/tenuifolia – Mauersenf/Mauer-Doppelsame/ Wilde Rauke
- Nasturtium officinale – Brunnenkresse (Pflanzen) – kann man leicht vegetativ vermehren
- Atriplex halimus- Strauchmelde / Salzmelde
- Beta vulgaris maritima – Wilde Rübe/Meer Mangold
- Dioscorea …. – Yams
- Matteuccia struthiopteris – Straußenfarn
- Apios americana – Amerikanische Erdbirne (Zubereitung)
- Phaseolus coccineus – Feuerbohne
- Stachys affinis – Knollenziest
- Hemerocallis fulva/lilio-asphodelus – Gelbrote Taglilie – gibt’s ja überall in Parks und Vorgärten, die leckersten Pflanzen weitervermehren!
- Malva morchata – Moschusmalve
- Malva neglecta, M. pusilla, M. sylvestris (Weg-, Kleinblütige und Wilde Malve)
- Hibiscus – alle Mitglieder der Malvenfamilie sind essbar, hier muss man sich einfach mal durch die Vorgärten kosten. Blüten essbar für Salate oder als Tee.
- Toona sinensis – Chinesischer Gemüsebaum
- Nelumbo nucifera – Indische Lotusblume
- Rumex acetosa – Sauerampfer
- Rumex scutatus – Schildampfer
- Lycium barbarum – Gemeiner Bocksdorn, Goji Beere, Wolfsbeere
Zum Sammeln eigenen sich z.B. auch Hagebutten. Grundsätzlich gilt: Seid euch sehr sicher, was ihr sammelt bzw. anbaut! Ggf. mit einem lokalen Experten abstimmen! Eine sehr informative Videoserie zum Thema ist von Green Deane und heißt eatthatweed (=iss das Wildkraut).
Essbare Bambusvarianten:
- Klumpende (wärmere Klimata): Bambusa multiplex, Bambusa oldhamii, textilis, tuldoides
- “Running” (rankend; gute Wurzelsperren bauen!): Phyllostachys dulcis, flexuosa, heterocycla, pubescens, nuda
Wer Lust auf Waldgärtnern hat, dem seien die Bücher Creating a Forest Garden von Martin Crawford oder Woodland Gardening von Plants for a future empfohlen. Die Seite pfaf.org (Plants for a future) ist darüber hinaus extrem empfehlenswert. Dort findet ihr – vorausgesetzt ihr tippt den lateinischen Namen wirklich richtig ein (leider keine Korrektur wie bei Google) – sehr viele wertvolle Informationen über sehr viele Pflanzen.
Teil 3: Polykulturen
Pflanzen in Monokultur (also wenn sie nur dieselben Nachbarn haben) kommen in der Natur nur ganz selten vor (meist wenn der Mensch irgendwo eingegriffen hat; gelegentlich in stehenden Gewässer: Rohrkolbenmonokultur) und sind generell sehr viel anfälliger für Schädlinge als Mischkulturen. Kommerziell sind Polykulturen nur sehr selten von Bedeutung, da es dort vor allem um Effizienz in Bezug auf ein einzelnes Produkt (z.B. 40 Tonnen Mais) und statt Biomasseneffizienz (100 Tonnen verteilt auf diverse Pflanzen verteilt) geht und daher einfach und schnell zu erntende Felder “wichtiger” sind als maximale Produktivität. Für den Selbstversorger und “earth steward” (=Landheger) sind Mischkulturen jedoch aus vielerlei Gründen von Vorteil und daher ein wichtiger Aspekt der Permakultur. Das Wissen kommt hauptsächlich von Generationen von Gärtnern, die vorteilhafte Kombinationen von Pflanzen ausprobiert und positive Effekte aufgeschrieben haben – in der Bio-Gärtner- und Permakultur-Szene werden derartige Erkenntnisse weiter ausgebaut (chemie-ökologisch spricht man von sog. allelopathischen Effekten, ugs. vom „compagnion planting“ (Quellen dazu: Chart; Webseite). Es gibt für viele einjährige Pflanzen Tabellen, welche Gemüsesorten gute Nachbarn sind, ich möchte daher nicht ins Detail gehen. Ein paar generelle Regeln kann man sich jedoch merken: Alle zwiebelbildende Gemüse (lat. allium: Knoblauch und Zwiebeln) begasen (antibakteriell) die Erde und sind deshalb keine guten Nachbarn für alle Pflanzen die stickstofffixierenden Bakterien ein Zuhause geben (Leguminosen (lat. leguminosae) wie Bohnen oder Erbsen). Zwiebelbildende Gewächse sind jedoch gute Nachbarn für z.B. Karotten oder rote Rüben, da sie diese vor Schädingen bewahren.
Ein wichtiger Grund, mehrjährige Pflanzen in eine Mischkultur zu pflanzen, ist das Anlocken von nützlichen Insekten und das Vertreiben und Verwirren von Schadinsekten. Generell sind daher stark duftende und bunte Pflanzen auszuwählen. Auch ein- oder zweijährige Pflanzen, die Dolden bilden (Karotten, Pastinaken, Sellerie, Kümmel, Petersilie … die sogenannten Doldenblütler, lat. umbelliferae) sind bevorzugte Landeplätze von allerhand nützlichen Insekten, die dort einen guten Überblick über das Geschehen im Garten haben und sich an den Schadinsekten satt essen können. Andere mehrjährige wie Lavendel, Zitronenverbene, Wermut, Jasmin, sowie diverse stark duftende Sträucher verwirren Schadinsekten durch berauschende Gerüche und ätherische Öle und sollten daher bevorzugt vor die vorherrschende Windrichtung gepflanzt werden, sodass der Geruch ständig den Garten durchströmt.
Der Trick der Mischkultur besteht dann nun darin, dass jedes Insekt, dass eure Pflanzen essen will, unheimlich viel rumfliegen und -krabbeln muss um von einer Pflanze zur nächsten zu kommen (während es bei einer Monokultur einfach zur nächsten leckeren Pflanze fliegen/wandern kann). Dadurch werden sie leichte Beute für nützliche Wespen und andere Insekten, die wir durch Habitat und deren bevorzugte Pflanzen angelockt haben. (Es versteht sich hoffentlich von selbst, dass Insektizide in unserem Garten keinen Platz haben). Ein hübsches Buch über einjährige Mischkulturen ist Mischkultur im Hobbygarten von Christa Weinrich OSB (NB: nicht selten stammen gute Gartenbücher aus Klöstern: Mönche und Nonnen haben z.T. viele Jahre durch mit Pflanzen experimentiert.)
Über mehrjährige Polykulturen findet ihr mehr inden folgenden beiden Büchern:
- auch für kleinere Gärten im kalten Klima: Paradise Lot: Two Plant Geeks, One-Tenth of an Acre, and the Making of an Edible Garden Oasis in the City von
Eric Toensmeier und Jonathan Bates
- Zu Baumgilden findet ihr gute Infos in Gaia’s Garden, Second Edition: A Guide to Home-Scale PermacultureReclaiming Domesticity from a Consumer Culture von Toby Hemenway
- Und es sei für Sammler und auch (zukünftige) Wildpflanzenkultivateure nochmals der Vlog von Green Deane empfohlen: EatThatWeed.
Wer noch andere Vorschläge, Ideen und Erfahrungen sowie Buchtipps hat: bitte posten!
Wir melden uns mit den bei uns durchgeführten Experimenten später wieder.
Viel Spaß bei Rumprobieren 😉
Beste Grüße
Hermann und Frank
Titelbild: perennial market garden von Eric Toens über flickr (Lizenz)
2 Kommentare
Tjaaaa…. Schön. Offenbar kann man von mehrjährigen Pflanzen aber nicht leben. Schwarzwurzel ist mitnichten als mehrjährig zu bezeichnen. Sie überlebt vielleicht einen Winter, jede Schwarzwurzel erntet man aber nur einmal. Dann muss man neu säen. Das ganze andere Grün- und Kräuterzeug macht nicht satt und man muss Kalorien dazukaufen.. 🙂
Im Text geht es um die Garten-Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica, https://en.wikipedia.org/wiki/Scorzonera_hispanica), bei der es sich um eine mehrjährige Pflanze der Familie der Scorzonera (Schwarzwurzel) handelt.
Zur Praxis:
„… Scorzonera hispanica. This has broader leaves and a slightly more fleshy root, with distinctly perfumed, savoury flavours and a thick, black skin that must be peeled before eating. It’s reliably perennial; the trick is to let it bulk up before harvesting (you may have to wait for up to two years for this to happen). And when you dig up the roots, you kill the plant. I tend not to thin seedlings, let them establish, then dig up the fattest and leave the rest to bulk out. Ensure they’re in a good planting hole: add sand and compost, so you get free-draining conditions. That way, you should have straight roots to harvest in autumn.“ aus https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2013/oct/19/alys-fowler-salsify
Ich persönlich sehe kein Problem sich von Mehrjährigen zu ernähren: für Fett stehen z.B. Nüsse oder Avocados, für Kohlenhydrate z.B Früchte zur Verfügung. Und unter den von Ihnen als sog. Grünzeug bezeichnete Pflanzen befinden sich solche – wie u.a. Brennesseln, die in ihrer Trockenmasse mehr Protein beinhalten als Soja. Auch mit Hinblick auf Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe sind mehrjährige einfahrigen nicht selten überlegen. Ob man sich von allein von Mehrjährigen ernähren will, ist freilich eine andere Frage.