Clive Hamilton hat ein sehr interessantes Paper zur Psychologie der Anpassung an Gefahren und Stress geschrieben. Auch wenn es sich eigentlich einem anderen Krisenthema zuwendet, lassen sich die vorgebrachten Argumente gut auf den Umgang mit der Ressourcenkrise übertragen. Das mache ich in diesem Artikel.
Die Gefahren, die aus den Ressourcenkrisen – hier der Ölverknappung – hervorgehen, lösen u.a. Emotionen wie Furcht, Angst, Schuldgefühle, Ärger, Argwohn, Traurigkeit, Depression und Hilflosigkeit aus. Die Szenarien gefährden die Zukunftsvorstellungen, die wir uns ausgemalt haben und mögen unsere bisherigen Lebenspläne in Zweifel ziehen. Auch die Möglichkeit eines eventuell früheren Todes sowie die moralischen Probleme, die sich aus Tatenlosigkeit oder aktivem Beitragen zu möglichen Katastrophen ergeben sind schwer zu ertragen. Es gibt nun drei Strategien mit diesen unangenehmen Gefühlen umzugehen:
1) Leugnung
Diese Strategie dient vor allem dazu negative Gefühle zu unterdrücken. Negative Folgen werden als unwahr bezeichnet und daher müssen z.B. Angstgefühle nicht ausgehalten werden. Gleichzeitig verpasst man jedoch die Chance sich auf nötige Veränderungen vorzubereiten.
2) Fehlanpassung (maladaptive Strategien)
Eine Fehlanpassung geht mit einer partiellen Anerkennung der Sachlage einher. Ein Teil der Fakten wird jedoch geleugnet, um die Last der negativen Gefühle zu reduzieren. Diese Einstellung bewirkt zwar prinzipielle Bereitschaft etwas zu tun, da aber die Sichtweise fehlerhaft ist, sind nicht alle Anpassungsmaßnahmen wirksam oder sogar kontraproduktiv.
3) Anpassung (adaptive Strategien)
Werden sowohl alle Fakten, als auch die zugehörigen Gefühle akzeptiert, kann ein Prozess adäquater Anpassung beginnen, der in einer veränderten Sichtweise resultiert und praktisch angemessene Handlungen nach sich zieht.
Hamilton weißt darauf hin, dass nur wenige völlig eindeutig einer dieser Kategorien zugeordnet werden können. Die individuellen Strategien können ja nach Teilaspekt des Problems wie auch mit der Zeit schwanken. Der Übergang von der ersten zur zweiten und der zweiten zur dritten Strategie macht die Überwindung (psychologischer) Hürden nötig.
Es ist interessant wie sich die Sichtweise der Ressourcenprobleme im Verlauf der letzten 10 Jahre verändert hat: Während um das Jahr 2000 noch nur eine Minderheit glaubte, dass das Wirtschaftswachstum je an Grenzen stoßen würde, so bezweifelt heute kaum noch jemand ernsthaft, dass ewiges Wachstum auf einer endlichen Ressourcenbasis möglich ist. Das beweist etwa auch die Haltung der IEA, die Bundeswehrstudie oder auch die im DIE ZEIT-Artikel erwähnte Szenarioanalyse „Zapfhahn zu“ der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Es gibt also deutliche Anzeichen dafür, dass sich die öffentliche Meinung von Strategie 1 zu Strategie 2 und 3 bewegt. Jedoch gibt es viele Anzeichen dafür, dass dieser Prozess noch längst nicht abgeschlossen ist. Das gilt sowohl für die Politik, als auch für die Bürger.
Von mythischen Göttergestalten und Krisenleugnern.
(1) Ein beliebter Umgang mit Gefahren ist die Uminterpretation. Etwa könnte man die Ressourcenverknappung zu einen technischen Problem uminterpretieren: sie ist damit keine Gefahr mehr an sich, sondern nur noch ein Herausforderung für den technischen Erfindergeist des Menschen. Ich halte es nicht für unmöglich Lösungen für die Ressourcenprobleme zu finden – jedoch werden diese nicht allein in technischen Lösungen bestehen. Ich denke, es wird vielmehr persönliche und auch soziale Anpassungen nötig sein wie etwa die Veränderung der Erwartungshaltung und der Zufriedenheit damit. Etwa die Bereitschaft ein Problem selbst zu lösen oder zu kooperieren wird wichtig werden.
(2) Eine weitere Fehlanpassung ist die Konzentration auf unwesentliche Problemaspekte bzw. nicht-adäquate Lösungsstrategien.
Staatliche Maßnahmen, die (1) und (2) kombinieren sind etwa das Verbot der Glühbirne.
Die Verminderung des Energieverbrauchs bei Beleuchtung gehört nicht zu den Top-Prioritäten. Die Verwendung von Energiesparlampen und LED-Lampen bringt neue Probleme mit sich: eine technisch komplizierte Fertigung, die Verwendung seltener, z.T. toxischer Materialien und deren Recycling.
Adäquate Strategien stellen die Ideen der Erneuerbare Energie Gesetze und der Gebäudesanierung dar. Ihre Umsetzung ist jedoch nicht in allen Punkten nachhaltig.
Es ist unsinnig, dass die Genehmigung für Kleinwindanlagen, von z.B. 12m Höhe, in den meisten Bundesländern genauso schwer ist wie für kommerzielle 100m hohe Anlagen (nachzulesen in „Zukunftsfähiges Hamburg. Zeit zum Handeln. Eine Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie.“). Es ist auch unverständlich, warum die Rotoren der Windkraftanlagen aus nicht-recyclefähigen Kompositmaterialien bestehen.
Gebäudesanierungen werden viel zu oft aus leicht entflammbare und beim Verbrennen giftige Gase freisetzenden Materialien gebaut. Auch sind die Substanzen oft nicht atmungsaktiv, was Schimmelbildung begünstigt.
Insgesamt fehlen (Bildungs-)Angebote, die für das Thema (Selbst-)Versorgung sensibilisieren und ermutigen sich aktiv zu beteiligen.
Da ein Angebot, dass hilft, selbst aktiv zu werden, bislang zu schmal ist, werden auf dieser Webseite in den nächsten Monaten für interessierte Kurse und weitere Ressourcen angeboten werden.
Ein Beispiel einer nicht-adäquaten Lösungsstrategie eines Privatmenschen ist die Entwicklung einer hedonistischen „Endzeitpersönlichkeit“, die primär nach Sinnenfreuden strebt, also seine materielle Orientierung verstärkt und so versucht den negativen Gedanken zu entkommen. Damit unternimmt man nicht nur nichts, sondern trägt aktiv zur Verschlimmerung der Situation bei. Ich bin keinesfalls der Meinung, man solle sich dem Gram ergeben, aber man sollte auch keine „Leben jeden Tag, als wäre es dein letzter“-Mentalität an den Tag legen. Die Entwicklung eines derartig pubertären, narzistisch-impulsiven Persönlichkeitstypus hat noch weitere Nachteile.
(3) Eine weitere Fehlanpassung ist die Suche eines Sündenbocks. „Mein eigener Effekt ist doch winzig, verglichen mit China, wo jeden Woche ein neues Kohlekraftwerk angeschlossen wird“. Der Satz beschreibt den Versuch den eigenen Anteil kleinzureden, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Gleichzeitig wird jedoch geleugnet, etwas beitragen zu können, was nicht stimmt.
(4) Desinteresse. „Was mich nicht interessiert, geht mich nichts an“. Diese Strategie verkennt, dass es sich bei dem Problem der Ressourcenverknappung nicht um ein Hobby handelt, für das man sich entweder interessiert oder nicht. Der Ölpreis wird steigen und das wird jeden betreffen.
(5) Unrealistischer Optimisums / Wunschdenken
Nach Shelley Taylor (I) neigt der Mensch dazu sich selbst, die Welt und auch die Zukunft in einem ungerechtfertigt positiven Licht zu sehen. Pessimismus wird uns zwar auch nicht helfen, nur sollte uns unser Optimismus nicht über die zukünftigen Schwierigkeiten hinwegtäuschen. Den Thermostaten für ein paar Tage um 1-2° Celsius herunterzuregeln oder etwas Wasser zu sparen wird die Probleme nicht lösen – ein Anfang ist dies, damit aufhören sollte es jedoch nicht!
Zum Wunschdenken gehört ebenfalls der Glaube an ein nachhaltiges oder ein qualitatives Wachstum, durch das ein zerstörungsneutrales Weiterwachsen der Wirtschaft möglich werden soll. Zum Wachsen werden aber immer Ressourcen benötigt. Details sind bei Niko Peach nachzulesen bzw. seine Vorträge auf Youtube anzuschauen.
Auch die Bevölkerung erkennt zu großen Teilen die Faktenlage nicht an und entwickelt ebenfalls z.T. bizarre Fehlanpassungen.
(1) Leugner laufen Gefahr kognitive Dissonanzen zu erleben – das ist nach Leon Festinger ein Zustand, in der die eigene Meinung und die eigenen Werte mit der äußeren Realität in Widerspruch geraten und dadurch unangenehme Gefühle auslösen. Um dem zu entgehen legen sich Leugner ihre eigenen Interpretationen zurecht: „Die Wissenschaftler/die Alarmisten haben immer unrecht“, „Sie übertreiben immer“.
(2) Eine Variante der Uminterpretation des Problems der Ölverknappung ist etwa diese gelegentlich präsentierte Verschwörungstheorien: „Erdöl entsteht überwiegend abiogen ständig in großen Mengen neu und die Verknappung ist in Wirklichkeit eine Verschwörung der Ölkonzerne, um den Preis künstlich in die Höhe zu treiben.“
Der Umstand, dass die Theorie schneller abiogene Ölneubildung mit physikalischen Gesetzen und auch mit der Alltagserfahrung im Widerspruch steht, bleibt davon unberührt. Auch die Angebotsverknappungsthese widerspricht ökonomischem Common-Sense: Konzerne würden mit Sicherheit lieber mehr Öl verkaufen, um von der dadurch von der insgesamt wachsenden Produktion zu profitieren – die Verflechtung ökonomischer Interessen würde eine solche künstliche Gefährdung der weltweiten Produktion durch künstliche Verknappung des Erdölangebots verhindern. Die Verknappung ist aber eben nicht künstlich, sondern real.
Im Wesentlichen werden die Probleme der Ressourcenverknappung durch diese Verschwörungstheorie und durch die Uminterpretation des Ressourcenproblems zu einem technischen Problem vermenschlicht (anthropomorphisiert).
Diese Tendenz ist vergleichbar mit der überkommenen Theorie, dass das Wetter vom Gutdünken der Götter abhängt, die man mit Tänzen oder Opfern besänftigen könne. Der Mensch bildete sich eine Möglichkeit der Einflussnahme ein und der gedachte Auslöser für mangelnden Regens bekam ein menschlicheres Gesicht.
Die Auffassung für die Ressourcenkrise müsse nur eine technische Lösung gefunden werden, holt die von ihr ausgehende, anonyme Bedrohung in einen menschlichen, in einen vermeintlich kontrollierbaren Kontext. Das ist wieder – sofern man die Faktenlage nicht deutlich anerkennt – nichts weiter als Wunschdenken.
Angemessene Anpassungsstrategien
Umgang mit und Kontrolle negativer Gefühle
Es ist keine Neuheit, dass es hilft Gefühle auszudrücken bzw. darüber zu sprechen. Sich von Zeit zu Zeit – auch auf negative Gefühle einzulassen ist menschlich und hilft adäquate Anpassungsstrategien zu entwickeln. Dauerhaft unterdrückte Angstgefühle können sich zu einer Depression und dauerhaft unterdrückte Wut können sich in einer unerwünschte bzw. falsche Richtung entladen. Ihre schlimmsten langfristigen Symptome sind Kriege. Lernt man einen bewussten und kontrollierten Umgang mit Ängsten oder auch mit Wut und erkennt die Faktenlagen an, die zu diesen Emotionen führen, so kann man die durch sie gebundene Energie einer Agenda produktiver Aktionen zuführen.
Problemlösung
Der Mensch neigt dazu vor Unbekanntem mehr Angst zu haben, als vor Bekanntem. Ein erster Schritt ist folglich mehr über das Problem in Erfahrung zu bringen. Wie genau kommt die Ressourcenkrise zustande? Zu Beginn könnte dies zwar Stress auslösen, jedoch gewinnt man eine realistischere Einschätzung der Sachlage und kann seine Strategie daran anpassen. Es bietet sich an mit anderen zusammenzuarbeiten. Es hilft sich im Kreis anderer zu wissen, die sich ebenfalls der Probleme bewusst sind und auf Suche nach Lösungen sind. Es ist wohlbekannt, dass sich das Ergreifen von Initiative und Aktivwerden positiv auf die psychische Verfassung auswirkt (Jacobson, Martell and Dimidjian, 2001: siehe unter (II)).
Entwicklung neuer Werte
Die aktive Suche nach Lösungen und deren Umsetzung, kann nach und nach eine Veränderung der persönlichen Werte bewirken. Einige Studien zeigen, dass eine produktive Auseinandersetzung mit lebensbedrohlichen Situationen und eine Reflektion über den eignen Tod die Entwicklung von Lebenszielen stimuliert und das diese tendenziell weniger materiell und sozialer sind.
Bekanntmachung adäquater Anpassungsstrategien
„Never underestimate the ability of a small, dedicated group of people to change the world. Indeed, nothing else ever has.“ Margaret Mead
Ein finales Ziel könnte es sein selbst adäquate Anpassungsstrategien zu verbreiten. Crompton und Kasser (III) meinen, man könne Menschen anstiften aktiv zu werden, in denen man ihnen eine Raum bietet, in dem sie selbst über ihre negativen Gefühle sprechen können bzw. aktiv werden können. Sofern Leute versuchen den Blick auf die Faktenlagen zu vermeiden, kann man versuchen sie behutsam aufzuklären und ggf. Hilfe anbieten. Laut Crompton und Kasser sollten bei der Vermittlung intrinsische Werte wie Kooperation und nicht-materielle Vorteile im Vordergrund stehen, um den inhärenten Wert der Menschen und der Natur abseits materieller Vorstellungen ins Zentrum zu rücken.
So schön sich das anhört und so sehr ich dem zustimmen mag, finde ich persönlich, dass wir in Zukunft vor allem eine Wirtschaft brauchen, die auf Basis veränderter Ressourcenbedingungen effizient dazu geeignet ist, sowohl menschlichen, aber auch ökologischen Anforderungen zu genügen. Dabei ist eine Rückbesinnung auf den Wert des Menschen und die Natur nützlich und nötig. Dennoch muss es im Rahmen der für die Zukunft zu entwickelnden Strategien auch Möglichkeiten geben die materiellen menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn die Wirtschaft der Zukunft ohne Nettowachstum funktionieren soll, so müssen Anpassungsstrategien gerade auch den materiellen Sektor umfassen – den egal mit wie wenig der Mensch zufrieden sein kann: mit nichts wird das auch nichts. Mögliche Ansätze zur Umsetzung (die ich verwende) versuche ich in diesem Blog zu liefern.
Literatur:
(I) Taylor, S. 1989, Positive Illusions: Creative self-deception and the healthy mind, New York: Basic Books
(II) Jacobson, N. S., Martell, C. R. and Dimidjian, S. 2001, Behavioral activation treatment for depression: Returning to contextual roots, Clinical Psychology: Science & Practice, Vol. 8, pp. 255-270.
(III) Crompton, T. and Kasser, T. 2009, Meeting Environmental Challenges: The Role of Human Identity, Godalming: WWF-UK
5 Kommentare
Schöner Artikel.
Könntest du die verwendeten Quellen vielleicht noch unten drunter schreiben oder vll verlinken?
Moin Hermann,
erledigt. Habe auch noch Links hinzugefügt, die zuerst nicht mitkopiert wurden.
Gruß
[…] genughaben.de: Psychologische Barrieren oder "Der Umgang mit drohenden Gefahrensituationen der Mensc… […]
Ich meine, es ist typisch für den Westen, dass wir zwar sehr intensiv nach technischen Lösungen für unsere Probleme suchen, aber die sozialen Lösungen total unterentwickelt sind, vielleicht sogar eher rückläufig.
Tauschringe, Mitfahrgesellschaften, Repair Cafés, Offene Werkstätten, Vereine, in denen z.B. Naturschutzaufgaben angegangen werden, all dies sind Beispiele für soziale Innovationen, die ausgesprochen effektiv sind, etwa beim sinnvolleren Nutzen knapper Güter und eine Menge positiver Nebenwirkungen haben.
Da gibt es noch unglaublich viele bislang ungenutzte Möglichkeiten.
Zwei Anmerkungen:
Wenn man Menschen den Raum gibt, ihre negativen Gefühle zu äußern, kann das zwar punktuell entlasten, aber dadurch alleine entsteht noch nichts Konstruktives. Eher schon durch das gemeinsame Tun:
Ich glaube, es ist wichtig, konkrete, handfeste Möglichkeiten zur Problemlösung anzubieten: Lerne zu reparieren, mache Sparen zu einer sportlichen Herausforderung, arbeite daran, fitter und belastbarer zu werden. Tu was und rede nicht nur! Psychologen nennen dies das Konzept der Selbstwirksamkeit. Wir sind dann nicht mehr die Opfer, die alles erdulden, sondern die Macher, diniere Ideen umsetzen.