Wer finanziell unabhängiger und damit resilienter leben möchte, sollte mit wenig Geld auskommen können – ohne unzufrieden zu sein. Unfreiwilliger Verzicht kann ohne Zwang dauerhaft nicht funktionieren und Zwang ist keine Gute Methode für ein System im Gleichgewicht. Entsprechend hoch ist das Rückfallrisiko in Konsumgewohnheiten und man erreicht wenig – außer ein verbeultes Selbstbewusstsein. Das kann jedoch leicht zu einer Universalausrede führen: „Wenn ich das jetzt nicht kaufe, dann bin ich unzufrieden und kaufe es dann später – also kann ich es auch jetzt gleich tun.“
Ist Verzicht keine Option, hilft es, wenn man fähig ist spontanen Impulsen in einem gewissen Umfang widerstehen zu können. Geld kann so effizienter verwendet werden. Wer sich alles und jeden Wunsch sofort erfüllen muss, dem bleibt in dieser Gesellschaft primär der Konsum. So verlockend und einfach das auch immer sein mag: (finanzielle) Unabhängigkeit ist so jedoch nur schwer erreichbar.
Man nennt die Fähigkeit spontanen Wunschäußerungen zu widerstehen die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Viele unserer spontanen Impulse lernen wir schon als Kinder zu kontrollieren: z.B. nicht überall zu essen und zu trinken – etwa während des Unterrichts in der Schule.
Jemand der sich leichter Ablenkungen hingibt, kann sich schlechter auf eine Aufgabe konzentrieren als jemand, der auf spontanes Vergnügen zeitweise verzichten kann. Jemand der auf kurzfristige Freuden besser verzichten kann, wird langfristig erfolgreicher sein, als jemand, der das nicht kann.
Diese Vorstellung führte soweit, dass der Psychologe Walter Mischel in den 1960er Jahren den sogenannten Marshmallow-Test ersann. Vierjährigen Kindern bot er Marshmallows an. Die Vierjährigen durften nun entweder:
- sofort einen Marshmallow nehmen oder
- ein eine Zeit lang warten und dafür einen zweiten bekommen.
Mischel stellte im Laufe einer 14jährigen Studie fest, dass die Kinder, die sich spontan einen Marshmallow nahmen im Erwachsenenalter stressempfindlicher, weniger selbst beherrscht, leichter frustriert und soziale weniger kompetent waren als die Kinder, die warten konnten.
Auf den Konsumalltag übertragen könnte man die Situation des Experiments wie folgt beschreiben:
Ich könnte 500 Euro, die ich habe:
a) Für einen spontanen Einkauf verwenden. (1. Fall bei Mischel)
b) Einen spontane Wunsch notieren und warten, ob dieser Wunsch nach ein paar Tagen immer noch besteht und dann kaufen – oder auch nicht. (1. Variante des 2. Falles bei Mischel)
c) Die 500 Euro Geld sparen und investieren und mit den Zinsen etwas kaufen. (2. Variante des 2. Falles bei Mischel)
In der Realität kommt noch diese Option dazu:
d) Ich habe keine 500 Euro, möchte aber etwas haben und kaufe es auf Kredit und zahle dann zusätzlich Zinsen.
Es ist schon eigenartig, dass wir alle zwischen 10 und 13 Jahren in der Schule und dann ggf. nochmal 3-5 Jahre in der Universität oder während einer Ausbildung lernen unsere Impulse zu kontrollieren, um danach dann eine Hypothek für ein Haus aufzunehmen und ein Auto leasen und so über Jahrzehnte verpflichtet sind große Teile unseres Verdienstes in Fremdbesitz zu geben.
Man könnte sich beruhigen und sagen: „Das gönne ich mir eben jetzt“ oder „Die Freiheit nehme ich mir“ (war das nicht sogar einmal ein Werbeslogan).
Aber ist es wirklich Freiheit für die spontane Erfüllung der Wünsche anschließend seine zukünftige Lebenskraft an andere zu geben?
Für ein finanziell unabhängigeres Leben ist die Beschäftigung mit den spontanen Wünschen und deren Erfüllung zentraler als eine sehr hohe Menge Geld zu sparen. Es gibt genügend Beispiele für Personen, die viel Geld besessen und wieder komplett verspielt haben. Und: mit etwas Einsatz von Zeit, Fähigkeiten und der Klärung der Frage „Brauche ich das tatsächlich?“, „Ist das wirklich (länger als 1-2 Tage) interessant?“ lässt sich das persönliche Budget beachtlich reduzieren.
Original veröffentlicht am: 28. Juli 2011 11:38. Überarbeitet am 27.08.2016.