Warum wird eigentlich das Rentenalter immer weiter erhöht?
Jeder der arbeitet und genug verdient zahlt durch seine Lohnnebenkosten in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Für die Finanzierung der Renten sind zwei Modelle denkbar:
1) Die eingezahlten Beiträge werden gespart, angelegt und die Auszahlungen werden von den Zinsen geleistet. (Kapitaldeckungsverfahren). Jeder ist darin selbst für seine Rente verantwortlich.
2) Die eingezahlten Beiträge werden direkt wieder ausgezahlt (Umlageverfahren). Arbeitnehmer zahlen Beiträge ein, die aktuelle Renter als Rente ausgezahlt bekommen.
Bis zur Rentenreform von 1957 funktionierte unser Rentensystem nach dem Prinzip der Kapitaldeckung. Nach dem 2. Weltkrieg war jedoch die Kapitalbasis der Rentenversicherung zerstört und die Renten waren recht niedrig. Wegen des Wirtschaftswunders stiegen die Löhne und vergrößerten den Abstand zu den Renten weiter.
Deshalb führte Adenauer 1957 ein neues Rentensystem ein, dass auf dem Umlageverfahren basiert, wodurch die Renten alsbald merklich stiegen.
Rentner erhalten seitdem nicht mehr das Geld zurück, dass sie einmal durch ihre eigenen Beiträge eingezahlt haben, sondern sie erhalten direkt das Geld, dass ein anderer Arbeitnehmer mit seinen Rentenbeiträgen in das Rentensystem einzahlt. Der Arbeitende erwirbt sich damit im Laufe seines Lebens das Recht auf Rentenzahlungen aus den Beiträgen der nächsten Generation von Arbeitnehmern. Das nennt man Generationenvertrag. Gerechtfertigt wird dieses System mit dem unerstellten „volonté générale„. Das ist französisch für „allgemeiner Wille“. Es wird argumentiert, es sei im allgemeinen Wille (oder im Willen aller oder oder im Gemeinwille), dass dieser Vertrag für das Gemeinwohl am besten ist. (Bei Interesse an Details auf Links im Text klicken.)
Im Grunde ist ja gegen ein solches Modell der Solidarität nichts einzuwenden. Es kann allerdings zu Problemen kommen. In Zeiten wirtschaftlichen Erfolgs erwerben sich Arbeitnehmer anhand eines Punktemodells eine bestimmte Rentenhöhe.
Was passiert aber, wenn die eingezahlten Beiträge einer Generation Arbeitender nicht ausreicht, um den Anrechten von Rentnern früherer Generationen gerecht zu werden? Dies kann geschehen, wenn die jüngere Generation kleiner ist, die jüngere Generation nicht so gut verdient wie die ältere Generation (durch eine sinkende Lohnquote oder durch höhere Arbeitslosigkeit) oder die Lebenserwartung ansteigt. Der Staat springt seit Jahrzenten ein und gleicht mit Steuermitteln aus.
Die o.g. Probleme treten heute alle auf. Durch Umlage allein können die Rentenansprüche schon lange nicht mehr bedient werden. Der Staat steuert etwa 80 Mrd. Euro jährlich zu den Rentenzahlungen bei. Das sind 1/3 der Staatsausgaben insgesamt und kein unwesentlicher Grund dafür, dass der Staat in den letzten Jahrzenten immer mehr Schulden gemacht hat. Kein Wunder also, dass die Renten und das Renteneintrittsalter immer wieder ein politisches Thema sind.
Die Staatsschulden sind nach Banken- und Staatenrettungen weiter angestiegen um circa 216 Mrd Euro von 1580 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 1796 Mrd. Euro im Jahr 2010. Wegen der unverhofft günstigen wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands kommen 2011 „nur“ 31,5 statt 40 Mrd. Euro dazu. Dass diese wirtschafltiche Entwicklung so weiter gehen wird, ist jedoch alles andere als sicher. Hinzu kommen noch die Garantien, die Deutschland für weitere noch potentiell in finanzielle Schwierigkeiten geratende europäischer Länder übernommen hat: wer weiß schon wie es mit Griechenland oder ggf. sogar Spanien weitergehen wird?
Und da es zunächst keine Finanzmarkttransaktionssteuer gibt und das zusätzliche Steueraufkommen aus dem unverhofften Wirtschaftswachstum nicht ausreicht (es ist überhaupt fraglich, ob die deutsche Wirtschaft noch lange weiter wachsen können wird) muss ein andere Lösung her. Und die heißt u. a. später in Rente gehen.
Ob man das so sehen möchte oder nicht: wir sollen also nachdem das Rentenalter gerade auf 67 Jahre erhöht wurde aus Expertensicht nochmal zwei Jahre länger arbeiten? Dass das dauerhaft durch eine steigende Lebenserwartung ausgeglichen wird ist auch eher zweifelhaft. In den USA ist die Lebenserwartung beispielsweise 2010 erstmalig wieder gefallen.
Wem man nun immer die Schuld geben möchte: ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen einmal bis 69 arbeiten zu müssen. Man könnte sich nun sehr aufregen und auf die ältere Generationen schimpfen, auf die Politik schimpfen, auf die Banken schimpfen oder auf noch ganz andere schimpfen: das kann man auch gerne tun – man sollte jedoch darüberhinaus das Problem selbst in die Hand nehmen. Wobei ich damit nicht unbedingt die private Altersvorsorge meine. Ein effektiver Ausweg ist es sich klar zu machen, was man tatsächlich braucht und dann weniger und intelligenter auszugeben, mehr zu sparen, eigene Fähigkeiten zu entwickeln, um den eigenen Geldbedarf zu reduzieren und soziale Netzwerke zum Tausch von Waren und Dienstleistungen aufzubauen und sich so ein eigenes Kapitaldeckungssystem zu schaffen – ob das nun durch Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen oder reale Einkünfte wie Strom (aus Heimsolar- oder Heimwindanlage), Honigernte, Gemüseernte, Holzernte, Tausch oder Kombinationen aus mehreren solchen oder noch ganz anderen Einkünfte ist – in jedem Fall sind mehrere Einkommenströme sicherer als einer.
5 Kommentare
Die aktuelle Schuldenuhr vom Bund der Steuerzahler steht aktuell bei 1,954 Bill. Euro. Seit Jahrzehnten wird im Parlament davon geredet zumindest die Neuverschuldung zu stoppen. Selbst in guten Zeiten ist dieses nicht gelungen. Was sagt mir das? Wir sind nicht wesentlich besser, als die so genannten PIIGS-Staaten.
Schaue ich auf meine Lohnabrechnung, sind ca. 40% für Steuern- und Sozialabgaben weg. Kaufe ich ein Produkt, schlagen nochmal Mehrwertsteuer und diverse andere Steuern zu. Da auch Unternehmen Steuern- und Sozialabgaben leisten, sind diese Kosten in den Produktpreisen enthalten. An einer zu geringen Steuerbelastung sollte es also nicht liegen.
Unsere sogenannte politische Elite hat also in erster Linie ein Ausgabenproblem. Man hat es sich bequem gemacht im Lande. Gelder wurden reichlich verteilt. Dieses System lies sich auch nur aufrecht erhalten, weil die Steuerzahler dieses stillschweigend erduldeten. Darin liegt das Problem. Wir nehmen in diesem Bereich unsere freiheitlichen Rechte nicht genügend war. Es hat keine Kosequenzen wenn Steuergelder verschwendet werden. Ein „Steuervermeider“ kann da schonmal mit Freiheitsentzug bestraft werden. Das hochverschuldete Bremen ist auch so ein Beispiel. Bremen ist pleite, aber die Politik dort erhält weiter den Auftrag vom Wähler genau so weiterzumachen.
Der Staat hat viele unproduktive Jobs geschaffen. Werden mehrere Institute für Klimaforschung, Wirtschaftsforschung, Meinungsforschung, Zukunftsforschung wirklich gebraucht? Kann ein einfacheres Steuerrecht viele Angestellte in den Finanzämtern nicht überflüssig machen? Muss es in einer Justizvollzugsanstalt Schwimmbäder und Fitnessräume geben?
Peak Oil und die Finanzkrise wird vieles Verändern. Wir werden uns dann viele Dinge nicht mehr leisten können. Es ist auch nicht gut, dass der Sozialhaushalt der größte Posten unter den Ausgaben ist. Dort muss gespart werden und es wird weh tun. Alle Zahlen (Ausgaben) müssen auf den Tisch und der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Ein Beispiel. Die Integrationsmehrkosten für Migranten aus dem Orient betrugen ca. 1 Billion Euro bis 2007 (Quelle Ulfkotte).
Mir als abhängig Beschäftigter, der diese Art von System nicht weiter unterstützen mag, bleibt nur eins: Mehr selber machen, weniger konsumieren, Gärtnern, weniger Stunden Arbeiten und mehr politischen Willen bekunden.
Es gibt ein Buch über Steuern: Mit dem Zehnten fing es an. 10% Steuern gab es mal und wo sind wir heute gelandet und sind dabei trotzdem pleite. Weiter ist der Frieden in diesem Land durch die Alimentierung von vielen Menschen gefährdet. Das kann in mageren Zeiten zu Hass und Gewalt führen und verlieren werden alle.
@Enrico:
Ich glaube auch, dass wir da in den nächsten Jahren noch so einiges Erleben werden. Wozu sollen Bailouts etc. noch führen? Auch die USA flutet durch die gewaltigen neuen Schulden den Markt mit Geld. Und trotzdem sind die Brücken und Straßen dort wie hier in beklagenswertem Zustand. Auch die Stromnetze sind schwer wartungsbedürfitg usw. Und das trotz der Schulden und dem Wohlstand, der eigentlich mit der geschaffenen Geldmenge korrespondieren sollte: was man daran erkennen kann ist, dass Geld und dafür erhaltbare Ressourcen bzw. (Infra-)Strukturen mittlerweile auseinanderfallen. Das Geldsystem wächst unabhängig vom Markt realer Waren, der noch etwas wachsen mag, aber an vielen Stellen schon an deutliche Grenzen strößt. Rationalisierung wird damit kein finanzielles Problem bleiben. Um einen Kollegen aus zu zitieren: den größten Vorteil (oder geringsten Schaden?) wird der haben, der erkennt und sich entsprechend auf die veränderte Situation einstellt. Zumindest halte ich Spekulationen über ein Rente mit 69 eigentlich schon für eine Vorwegnahme der endgültigen Schlussfolgerung: das es für uns entweder gar keinen oder fast gar keinen staatlichen Schutz im Alter gibt.
P.S.: Bei deinem Ulfkotte-Zitat war ich ja erst skeptisch. Habe dazu noch eine Quelle von Heinsohn aus der FAZ gefunden: http://www.faz.net/artikel/C30297/die-schrumpfvergreisung-der-deutschen-deutschland-verschlaeft-den-kampf-um-talente-30003872.html Scheint also was dran zu sein. Ich bin – schon allein aus demographischen Gründen – nicht gegen Einwanderung – frage mich aber schon wieso Deutschland im Gegensatz zu Australien und Kanada so schlecht dasteht…
Mir war klar, dass ich mit der Ulfkotte Quelle provoziert habe. Ich frage mich aber, warum die Wissenschaft sich drückt ordentliche Zahlen zu präsentieren, sobald es politisch nicht mehr ganz korrekt zugeht. Die untersuchen doch sonst jeden belanglosen Mist (z.B. in welcher Stadt die Leute wie oft, wie lange Sex haben). Es muss endlich eine Kultur geschaffen werden, wo jeder frei seine Meinung äußern darf, ohne dass diese Person oder seine Angehörigen mit Berufsverbot belegt werden und auch noch Polizeischutz benötigen. Wir laufen sonst große Gefahr in einer totalitären Diktatur zu enden.
Deine letzte Frage ist einfach zu beantworten. In Deutschland hat eine starke Einwanderung in die Sozialsysteme stattgefunden, während Kanada, Australien und andere Staaten hohe Hürden für Einwanderung haben. Ich gebe auf keinen Fall den Einwanderern die Schuld, sondern die Vertreter von SPD, CDU, FDP, GRÜNE und Linkspartei haben diese Situation geschaffen und wir Bürger haben nicht unseren Unmut über diese Zustände nachdrücklich bekundet.
Ich finde es soll jeder in seiner Heimat so gute Bedingungen finden, dass er gern dort lebt. Wenn aber Bürgerkriege, staatliche Willkür, extreme Umweltereignisse, schlechte soziale Bedingungen, Hunger, etc. anzutreffen sind, ist man gezwungen seine Heimat zu verlassen. Deshalb hoffe ich auf eine starke Permakulturbewegung, die das Leben vor Ort wieder stabilisiert – auf dass wir uns mit Freude und Achtung gegenseitig austauschen und voneinander lernen können.
Zu den Aufgaben eines Staates gehört es, seinen Bürgern und Bewohnern eine soziale und technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die den Bedürfnissen der Bürger und Bewohner entspricht. Dazu nimmt der Staat Steuern ein.
Um es mal ganz simpel zu machen: Eine Steuer ist im Grunde eine Art WG-Kasse. Wenn in einem Haushalt alle unabhängig voneinander Nudeln und Waschpulver in kleinen Packungen kaufen, ist das nicht sinnvoll, weil in einem Haushalt nun mal alle Mitglieder saubere Kleidung und etwas auf dem Teller haben wollen. Großpackungen zu kaufen ist billiger, deshalb die WG-Kasse. Dass es im Anschluss zu Quengeleien kommt, weil der eine andere Nudeln haben wollte, oder weil jemand sich zu viele Nudeln aus der Familienpackung genommen hat, liegt in der Natur des Menschen.
Steuern sind Umverteilungsinstrumente, ja, das stimmt. Was woher wohin umverteilt wird, ist dann die andere Frage. Die Mittelschicht, der Enrico und ich mutmaßlich angehören, wird der Tage zum ersten Mal richtig mitgeschröpft, die Umverteilung läuft von arm nach reich. Dass da so manchem braven Bürger Staat und Steuer unlieb werden, kann ich nachvollziehen. Wem kommt die Infrastruktur zu Gute, die wir mit diesen Abgaben bezahlen und errichten?
Der springende Punkt ist, dass wir unser Sozialsystem und unsere technische Infrastruktur auf einem überquellenden Energieangebot aufgebaut haben. Wir haben eine Welt aus Öl und Kohle gebaut. Was passiert, wenn man dieser schönen neuen Welt das Öl entzieht?
Das Problem ist nicht der wachsende Schuldenberg an sich, den gibt es schon länger, als wir drei auf der Welt sind. Das Problem ist, dass der Glaube daran schwindet, dass dieser Schuldenberg in Zukunft auch durch etwas real Anfassbares zu rechtfertigen ist.
Grüße
Simon
@Simon:
Der WG-Vergleich ist gut: im Grunde ist es eine Frage der Sozialkompetenz: der Staat macht uns unabhängig davon und erspart und soziale Interaktion. Ob das nun wirklich gut ist, ist eine andere Frage. Es fragt sich, ob, wenn wir nicht weniger unter Zeitdruck wären, diese Interaktion sogar Spaß machen würde…
Die Mittelschicht wird meiner Meinung nach maßgeblich durch zwei Mechanismen geschröpft 1) über die Steuern, die der Staat mittlerweile zu 25% als Zinsen an diejenigen ausgezahlt werden, die dem Staat Geld geliehen haben („mutmaßlich“ an die Oberschicht: http://www.derwesten.de/nrz/politik/Von-der-Staatsverschuldung-profitieren-die-Reichen-id2338915.html) und 2) dem Konsumlebensstil auf Pump: Hauskredit, geleastes Auto, Einkäufe mit der Kreditkarte: bei allen diesen Ausgaben fließt ein Teil durch die Zinsen an jemanden, der das Geld zur Verfügung stellt.
Ich glaube, dass im Vertrauensverlust ist der springende Punkt – bzw. der Grund dafür. Schulden repräsentieren Geld, dass man in Zukunft plus Zinsen zurückbekommt. Menschen die ihr Geld jetzt verleihen und nicht ausgeben erhoffen sich einen höhrern Gewinn als ihre persönliche Diskontrate (sie erhoffen sich also später mehr Geld zu erhalten, als ihnen die Ausgabe des Geldes, dass sie jetzt ausgeben könnte nutzt). Soweit die Theorie. Mit dem Geld erhofft man dann also in der Zukunft etwas kaufen zu können, dass einem dem Nutzungsausfall des Geldes heute überkompensiert. Dieses Versprechen kann aber nur in dem erhofften Umfang eingelöst werden, wenn auch die Menge der kaufbaren Güter im gleichen Schritt wie die Geldmenge bzw. dem Geldwert mitentwickelt. Es ist immer ein Abwägung zwischen persönlicher Diskontrate und dem erhofften Gewinn.
Ich bezweifle, dass die Gütermenge auch nur konstant bleiben kann – nicht mit der Entwicklung der Energieversorgung und Ressourcenentwicklung und den Kosten potentieller Recycling(energie)kosten und der vergleichbar geringen Effizienz regenerativer Energiequellen. Im Wesentlichen sollte man sich von monetären Zukunftshoffnungen freimachen und in die eigene Unabhängigkeit investieren: in Güter, die auf jeden Fall ihren Wert behalten (z.B. Land), in Produktionsfaktoren (z.B. Gartenwindkraft, Bürgersolaranlagen oder andere nachhaltigen Projekte) und in die eigenen Fähigkeiten (Kurse, Bücher) oder deren Unterstützung (z.B. Werkzeuge).