Sehen, Hören, Gleichgewicht, Fühlen, Schmecken und Riechen – ungefähr diese sechs Sinne verschaffen uns Zugang zu unserer Umwelt – von unangenehmen Wahrnehmungen bis zu Sinnenfreuden. Unsere Fähigkeit, körperliches Vergnügen zu empfinden – nicht nur Unzüchtiges! – ist eine einfache Quelle von Freude, die nichts kosten muss.
Kinder sind ihren körperlichen Empfindungen häufig noch näher als Erwachsene, die abseits der Körperwahrnehmung oft stundenlang in starrer sitzender Haltung verbringen (müssen). Wir können uns aber erinnern: Erinnert ihr euch an eure Zeit im Sandkasten? Habt ihr dann auch gerne eure Hände und Arme tief im Sand vergraben und dabei gemerkt, wie der obere Sand an warmen Tagen recht warm, manchmal sogar heiß und trocken war und wenn man tiefer grub, langsam kühler und feuchter wurde? Ich habe das häufiger gemacht und fand den Wechsel zwischen warm und kalt herrlich!
Wenn ihr gelegentlich an Wochenenden spazieren geht, dann achtet einmal bewusst auf eure körperlichen Empfindungen – die Wärme, die den Körper durchdringt, wenn die Sonne im Sommer scheint oder die eisige Kälte, die langsam durch die Öffnungen in eurer Kleidung dringt. Oft sind unsere Empfindungen das Wetter betreffend ablehnend: es ist geradezu ein Sport, es immer zu kalt, zu warm, zu feucht oder zu hell zu finden. Und klar: das Wetter nervt auch oft und es geht auch nicht darum, das zu ignorieren. Aber, wenn es nicht stört, dann nehmen wir uns selten bis nie die Zeit, seine Qualität richtig wahrzunehmen und versagen uns damit die Chance auf eine kleine, ganz kostenlose Sinnenfreude. Nehmt euch einmal Zeit, draußen die frische Luft oder die Helligkeit am Morgen oder die Dämmerung am Abend zu würdigen, indem ihr euch für einen Augenblick darauf konzentriert: schaut euch die Straßen, die Häuser, die Mitmenschen oder die Pflanzen an und nehmt deren Farben und Formen wahr. Mir ist, als ich als Student durch Münster spazierte, so einmal nach fast 2-jährigem Aufenthalt in der Stadt aufgefallen, dass die Hauswand meines Wohnhauses hellrosa wahr. Und das Haus daneben türkis. Man kann die Wahrnehmung der Umwelt verstärken, indem man z.B. barfuß läuft, die Jacke öffnet oder sich kurz hinsetzt und sich umseht. Manchmal wird das nervige Wetter bzw. die Umgebung auch zu unrecht ignoriert oder man kann das eigene unmittelbare Empfinden durch eine kurze Handlung unmittelbar verbessern.
Ihr könnt auch jetzt gleich etwas tun, wenn ihr mögt. Sitzt oder steht ihr bequem? Wie fühlt sich der Stuhl unter euch an oder der Boden unter den Füßen. Schließt einen Augenblick die Augen und fühlt in euch hinein. Massiert euch ggf. ein wenig das Gesicht oder die Finger und Hände. Wie hell ist es? Wenn es euch z.B. zu dunkel ist, tut euren Augen etwas Gutes und macht euch eine Lampe an – das muss ja nicht gleich für die ganze Wohnung gelten. Oder, ist es zu hell? Dann stellt eine Lampe aus oder dunkelt den Raum etwas ab, indem ihr die Jalousie oder den Vorhang vor das Fenster zieht. Wie fühlt sich die Luft beim Atmen an? Ist sie frisch? Falls, nein, dann öffnet doch das Fenster für eine Minute weit. Wenn ihr schon dabei seid: stellt euch ans Fenster und schaut, was vor sich geht. Atmet ein paar Mal ein. Wenn ihr nicht zuhause seid: dann geht kurz vor die Tür, sofern das möglich ist, und macht dasselbe. Eure Füße sind kalt? Ein guter Zeitpunkt, die Wollsocken der Tante einmal anzuziehen. Ihr sitzt in einem Auto oder in der Bahn? Fühlt, wie sich euer Schwerpunkt anfühlt, wenn ihr bremst, beschleunigt (werdet) oder die Richtung wechselt und schaut, was alles in der Umgebung an euch vorbeizieht – und sei es nur ein Licht in einem U-Bahn-Tunnel.
Der Buddhist oder Psychologe mag das vielleicht Achtsamkeit nennen, der andere vielleicht „im Moment Leben“, ich möchte es hier als Sinnenfreude bezeichnen: Hedonismus für Geizhälse 🙂
Neben der kleinen Übung von oben: überlegt euch doch hin und wieder, welche kostenfreie Sinnenfreude ihr euch genehmigen könnt: Singen unter der Dusche? Meditieren? Spazierengehen? Ein Tier streicheln? Die Hände, Füße oder den Kopf eurer Freundin/eures Freundes massieren? Habt ihr schon einmal bemerkt wie weich Ohrläppchen sind? Auch Unterhaltungen mit Freunden, Familienmitglieder oder gar Fremden kann sehr erfreulich sein! Und anderen zuzuhören kann auch andere Vorteile mit sich bringen: Freundschaft, Aufmerksamkeit und Hilfe. Tut dazu am besten euer Telefon zur Seite, am besten aus dem Blickfeld, denn selbst, wenn es aus sein sollte, kann es euch immer noch ablenken – genauso wie Fernsehgeräte. Erwägt alternative Möglichkeiten zu Bar- und Restaurantbesuchen für Treffen. Nicht selten entstehen gerade auf Spaziergängen sehr viel interessantere Gespräche. Im Studium war das noch viel selbstverständlicher, aber es ist gar nicht so schwer einen Bekannten, Freund/in oder Familienangehörigen dazu zu überzeugen – zumindest manche 🙂
Es ist nicht nötig, dass Sinnenfreuden rein gar nichts kosten. Schaut doch einmal, wie es sich anfühlt, wenn ihr ein Stück Himbeerkuchen oder auch ein Stück Schokolade esst, indem ihr nur kleinste Happen davon nehmt oder, wenn ihr eine kleine Cola über eine halbe Stunde verteilt genießt: so lassen sich Momente länger auskosten und auch kleinere Genüsse zu kleinen dekadenten Erlebnissen erweitern.
1 Kommentar
Sehr gutes Thema. Man verdrängt vieles im modernen Alltag. Dabei kostet es nichts, schon gar keine Zeit oder Mühen, mal kurz innen zu halten und sich zu entschleunigen. Ich lege mich mit meiner Tochter oft hin, wir schließen die Augen und spielen: „was hörst Du?“ Abwechselt sagt jeder ein Geräusch auf, das er hört. Doppelte zählen nicht. Verrückt, was man so ausblendet.