Kauft gebraucht und wenn das nicht geht: kauft die bestmögliche Qualität. Ihr müsst dafür zwar meist auch mehr – zum Teil viel mehr – Geld ausgeben, aber mit dem höheren Preis könnt ihr auch eine um ein vielfaches höhere Haltbarkeit kaufen. Aber nicht nur das: hochwertige Produkte machen auch einfach viel mehr Spaß.
Der Witz an der Sache ist nun, dass man nur das in höchstmöglicher Qualität kauft, was man wirklich benötigt – alles andere kauft man am besten gar nicht. Das geht: aber nur solange man das auch wirklich beherzigt. Ein guter Indikator für wirklich benötigen heißt, dass wir es wirklich oft benutzen (mindestens 1x oder häufiger pro Monat) und auch schon sehr lange oft benutzen (länger als 12 Monate). Einfach alles in sehr hoher Qualität zu kaufen geht auch – aber nur mit sehr viel Geld – und dann steht die ganze Wohnung/das ganze Haus mit teuerem statt mit billigem Kram voll. Das hilft auch nicht! Diese Gefahr droht zum Glück nur Menschen mit wirklich viel Geld 🙂 Auf der anderen Seite bezweifle ich, dass es wirklich so wenige Menschen gibt, die sich nicht wenigstens ein paar Dinge, die sie wirklich benötigen in hoher Qualität leisten können. Statt jede Woche für 5-15 EUR “bummeln“ zu gehen, kann man auch 1x alle 4-5 Jahre 600 EUR oder ist dann sogar noch halt weniger als halb so teuer weggekommen.
Die allermeisten gekauften Produkte sind mittelmäßige oder sogar minderwertige Produkte. Weil diese natürlich auch entsprechend weniger Spaß machen, werde davon zum Ausgleich viele gekauft – ganze Schränke sind mit billigen Klamotten, Schuhen, Besteck, Gläser, Tassen und Elektronikkram etc. etc. gefüllt. Kaum eine dieser Sachen ist wirklich viel wert und wird daher auch selten lang und damit insgesamt kaum verwendet.
Um wirklich hohe Qualität zu kaufen bedarf es allerdings etwas Geschick und einiger Kenntnissen, denn heute gibt es auch Schrott für horrende Preise. Meistens sind schlechte Produkt jedoch auch billig, daher ist ein höherer als durchschnittlicher Preis zumindest ein Indikator.
Vorschlag zum alternativen Vorgehen:
- Werdet euch wirklich klar darüber, was ihr braucht. Seid doppelkritisch mit euch selbst!
- Recherchiert ausführlich und/oder orientiert euch an vertrauenswürdigen Empfehlungen.
- Kauft euch dann ein Produkt von bestmöglicher Qualität.
Ich kann euch nur empfehlen gut zu recherchieren. Sofern ihr Produkte findet, die bereits seit 30+ Jahren so gefertigt werden, wie sie auch augenblicklich gefertigt werden und ihr zudem Rezensionen von Personen findet, die diese Produkte auch bereits seit 10+ Jahren verwenden, dann habt ihr mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Produkt bzw. eine hochwertige Marke identifiziert.
Viele Produkte sind nicht einmal sehr viel teurer als fancy oder schicke neumodische Ware: sie sind kanonisch, d.h. ihre Bauart wurde schon vor langer Zeit zur Perfektion gebracht und seitdem nicht mehr verändert. Klassische Produkte zu kaufen ist in einer Zeit, in der alles technisch neue per se als besser gilt, natürlich schwierig. Ihr solltet aber eines bedenken: ihr könnt euch natürlich heute eine Jacke aus dem neuen Material X kaufen, und möglicherweise ist X aktuell das Material mit der besten besten Verhältnis von Isoliereigenschaft zu Gewicht (ihr dürft gerne raten, was ich mit X meine 🙂 ), aber sofern es die Produkte aus X und nach Produktionsweise Y erst seit wenigen Jahre auf dem Massenmarkt gibt, besteht das Risiko, dass es doch nicht das hält was es verspricht. Ob es also wirklich auf Dauer das hält, was es verspricht muss sich noch erweisen. Ein Doufflecoat von Gloverall hingegen hat seine Haltbarkeit bereits bewiesen.
Es ist ein bisschen so wie beim Value Investing: natürlich gibt es Firmen und damit Produkte, die stark wachsen und zunehmend auf dem Markt verfügbar werden. Und möglicherweise gehören davon auch einige irgendwann erwiesenermaßen zu dem, was am besten ist, besser sogar als alles, was heute als sehr gut gilt, aber mit Sicherheit können wir das erst in ein paar Jahren wissen. Schön, wenn das jetzt ausprobiert wird. Und ich finde es auch richtig, wenn man sich mit einem Teil seines Geldes an derartige Experimenten beteiligt, wenn man kann. Vor allem sollte man das aber in Bereichen tun, wo man selbst etwas Expertise hat oder Lust hat sich diese anzueignen, sonst ist das einfach nur spekulativ. Mit einem größeren Teil sollte man das kaufen, was sich als gut bewährt hat und/oder womit man sich gut auskennt.
Ein paar Beispiele:
Wenn ihr Schuhe braucht, dann schaut euch einmal Modelle von Hanwag oder Bertl an – insbesondere Bertl baut Arbeitsschuhe bereits seit den 1920er Jahren. Braucht ihr eine Jacke, dann nehmt eine von Filson, Gloverall, oder Camel active – und zwar in der Reihenfolge. Die Produkte von Filson lassen sich in die Zeit des Goldrausches zurückverfolgen. Gloverall fertigt seit den 1950er Jahren und Camel active seit den 1970er Jahren. Entsprechend findet ihr zu bestimmten Produkten Rezensionen von Personen, die diese Produkte bereits seit Jahren, manchmal Jahrzehnten verwenden – sofern diese auch technisch immer noch identisch sind und sie euch gefallen, habt ihr einen idealen Kauf. Selbstredend solltet ihr immer noch überlegen, ob der Preis im Rahmen ist: eine Jacke, die 5x länger hält aber 10x mehr kostet als, was ihr sonst tragt lohnt sich auch nicht.
Idealerweise kombiniere ich nach Möglichkeit den Ansatz hochwertig und gebraucht. Eine Jacke, die sowieso 10+ Jahre hält kann ich mir auch gebraucht zu einem günstigen Preis kaufen. Es kostet natürlich etwas mehr Zeit als sich etwas im Internet zu klicken.
Wer es schafft sich über die Konvention hinwegzusetzen, dass alles technisch neue auch viel besser ist, wird sich über die Zeit ein kleines (!) Portfolio schöner Klassiker aufbauen können: z.B. einen Espressokocher von Giannini, eine Schwerter Emaille-Teekessel oder eine schmiedeeiserne Pfanne. Diese Produkte halten sich praktisch ewig und sind dafür verhältnismäßig preisgünstig und absolut funktional und machen Freude!
Dasselbe gilt z.B. auch für Rasierhobel. Wenn man nicht den allerbilligsten kauft, kauft man ein Produkt für das ganze Leben. Gut sind etwa der klassische Rasierhobel von Mühle oder Donovan. Der einzige Grund, warum ich keines der letzten Modelle besitze ist, dass ich meinen Rasierer umsonst bekommen habe, der einem ehemaligen Lebensgefährten einer Freundin gehörte, dieser ist mehr als 8 Jahre alt und funktioniert noch gut. In dem Fall ist ein Wechsel nicht benötigt.
Dasselbe gilt aber auch für Möbel, Elektrogeräte, Uhren und Werkzeuge. Und je weniger desto besser.
Gute Anregungen zum Thema bietet Uli Borchards Buch: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser – Das Manufactum-Prinzip. Wer tiefer, in die heute leider viel zu vernachlässigte Materie der Warenkunde einsteigen will, dem kann ich als Nachschlagewerk das Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse empfehlen. Es ist zwar schon etwas älter und enthält damit viele sehr moderne Werkstoffe nicht. Aber diese müssen sich – wie ja bereits erwähnt – auch erst noch beweisen.
Wenn ihr Vorschläge für Marken und/oder praktisch ewig haltbare Produkte bzw. Produktklassen und/oder Materialien habt: bitte als Kommentar!
8 Kommentare
Sehr gute Ansätze! Die Stoßrichtung, Neuem gegenüber kritisch zu sein, finde ich bei Dingen super, bei Ideen sehe ich es komischerweise meist umgekehrt:
Ich liebe interessante, unkonventionelle Ideen. Richtig ist aber auch, dass diese sich erst mal bewähren müssen und viele auch „wohlverdient“ wieder in der Versenkung verschwinden werden!
Hallo Martin,
interessante Beobachtung. Ich denke Ideen sind zunächst billiger als Dinge. Dinge kosten Zeit, Geld, Raum, Nerven etc. Außerdem muss man dazu erst einmal irgendwo hin um sie zu besorgen, mindestens aber, um sie in Empfang zu nehmen (i.e. von der Post abholen). Ideen kosten vor allem Zeit. Manchmal auch Geld (z.B. Bücher), sind aber vor allem schneller wieder loszuwerden und in einem Bücherregal nimmt ein Buch mehr auch nur allzu wenig Platz weg und als ebook oder Blog-Artikel sogar gar keinen.
Zusätzliche betreffen Ideen mehr unser Sein als Dinge und ich denke in einer überernährten westlichen Welt, in der wir die Maslowsche Bedürfnispyramide schon ein Stück emporgeklettert sind, geht es eigentlich mehr uns sein als ums haben. Daher werden auch so viele Anstregungen unternommen uns einzubläuen, dass wir doch noch mehr Dinge brauchen. Ich finde das nicht einmal grundsätzlich falsch. Wir brauchen sicher mehr neue Antibiotika usw., aber kaum noch mehr Eierkocher-Varianten oder Farbkombinationen von Anziehsachen. Obgleich das die Mehrheit faktisch anders sieht, wenn man Handlungen mehr glaubt als Meinungsäußerungen (was ich tue).
Beispiel: die Bekleidungsindustrie setzt in Deutschland pro Jahr 70 Mrd. EUR um (1), während die Bücherindustrie nur knapp 9,5 Milliarden EUR (2) umsetzt.
Gruß Frank
(1) http://de.statista.com/themen/1555/textil-und-bekleidungseinzelhandel-in-deutschland/
(2) http://www.boersenverein.de/de/182716
Hui, das sind ja schlimme Zahlen.
Ich weiss, dass die Umrechnung nicht ganz fair ist, aber man kann ja mal über die Frage nachdenken, ob wir Deutschen also etwa 7x mehr an Äusserlichkeiten als an intellektuellem Input interessiert sind…
Schön fände ich, wenn mir Leute stolz ihre geflickte Hose zeigen und damit „angeben“ würden, dass sie die schon seit gut und gerne 10 Jahren tragen.
Oder anders gesagt, wenn ich Menschen mit der aktuellsten Mode treffe, habe ich eine Ahnung, wie sehr sie bemüht sind, mit dem Mainstream zu schwimmen.
Mich beeindruckt das eher weniger.
Viele Grüße, Martin
Hallo Martin,
möglich wäre das. In gewissen Kreisen galt es in England als schick ältere Kleidung zu tragen, es gab daher die Tendenz neue Kleidung alt zu machen. Heute stone-washed man Hosen, während englische Gentleman (wenn sie keine Dandys waren) ihre neuen Anzüge zunächst einmal dem Gärtner zum Tragen gaben. Ich finde leider aktuell keine Internetquelle. Aber ich meine das in „How to be an english gentleman without really trying“ gelesen zu haben. Ich selbst besitze eine ganze Reihe geflickter Hosen, Hemden, Pullover und Jackets und gebe dafür im Jahr mehr aus, als für neue Kleidung. Zumindest in meiner Umgebung bin ich damit bislang nicht auf argwöhnische Blicke gestossen: es scheint also zu gehen. Als Data Scientist arbeite ich allerdings auch nicht in einem klassischen Anzugjob, daher ist meine Sicht sicherlich nicht verallgemeinerbar.
Gruß
Frank
Dazu passend auch der Hinweis, bei PCs/Laptops wenn möglich die Business-Variante zu kaufen. Hält länger und ist meistens besser reparierbar.
Hallo Peter,
das sehe ich auch so. Ganz am Anfang habe ich mir aus reiner Begeisterung einen teuren Computer gekauft. Dann habe ich einmal den Fehler gemacht und mir aus Geiz ein sehr einfaches Gerät gekauft und das war dann kurz nach der Garantiefrist kaputt. Das schöne an Apple Geräten ist meiner Meinung nach, dass diese verlässlich so lange halten, dass es sich tatsächlich lohnt ein gebrauchtes Gerät zu kaufen. Mindestens aber ein neues Gerät einer älteren Generation. So habe ich das letztlich gemacht und besitze das Gerät nun schon recht lang.
Gruß
Frank
Hier ein kleines Beispiel für: „Alt und bewährt“: nachdem ich ausgezogen bin haben ich mehrmals eine Butterdose gekauft ( geschenkt bekommen etc. ) alle waren unpraktisch…. als ich wieder bei meinen Eltern die Butterdose aus Kindertagen gesehen habe, habe ich genau hingesehen, die wollte ich auch, da passt einfach alles…. Diese war von WMF – Designer, hieß glaube ich Wagenfels/oder -feld aus den 60ern! Ich hab diese gebraucht aus dem Internet relativ günstig ersteigert und bin seither glücklich damit. Als meiner Mutter ein paar Jahre später ihr Deckel kaputt ging, konnte sie ihn bei WMF nachbestellen!
Cooles Beispiel! Mir ging es einmal ähnlich mit meinem Henckelmann. Das ist eine Lunchbox. Ich finde es auch immer bezeichnend, dass – wie du es beschreibst – man bei Qualitätsprodukten und guten Marken in der Regel auch nach Jahren noch Ersatzteile bekommt.