Wohnen ist in der Regel die größte Ausgabe, die wir uns leisten. Und tatsächlich ist die mittlere Wohnfläche pro Bewohner ständig angestiegen. Nach der 80-20-Regel ist es jedoch am effektivsten, bei den größten Ausgabeposten einzusparen. Man kann sagen: wenn wir uns beim Downsizing allein auf die Themen Wohnen und Mobilität beschränken, dann könnte fast jeder früher aufhören zu arbeiten oder weniger arbeiten oder entspannter leben. Miete kostet jährlich durchschnittlich 4090,14€ (46,5m² zu 7,33€/m² x 12 => 12 x 340,84€): wer sie reduzieren kann, sollte das tun. Mögliche Ansätze sind: Wohnraum teilen, Wohnen in weniger attraktiven Gegenden, kleiner Wohnen, unkonventionell wohnen. Neben dem Wohnen zur Miete gibt es auch das Eigenheim.
Warum also nicht ein eigener Wohnort? So denken und handeln viele: denn neben dem mutmaßlichen finanziellen Aspekt ist der eigene Wohnort nach wie vor Gegenstand sehnsüchtiger Träume. Leider kann er aber auch große Kosten und Schulden verursachen und bewirkt damit nicht selten familiäre Zerwürfnisse. Dieser Artikel soll aber keine Schmährede gegen das Eigenheim werden (die findet ihr hier ;-)).
Kombinieren wir stattdessen nun die Konzepte Eigenheim mit unkonventionell wohnen und kleiner Wohnen, dann kommen wir beim Tinyhouse – also einem winzigen Haus – an. Was ein Tinyhouse ist und was nicht, ist nicht streng definiert: Für gewöhnlich gilt aber jedes Haus mit einer Grundfläche von 46m² oder weniger als Tinyhouse.
Warum Tinyhouses?
Finanzielle Aspekte. Tinyhouses bieten eine finanzierbare alternative zum klassischen Wohnraum. Typische Preise bewegen sich zwischen 20.000 und 50.000 EUR: wobei es wie sonst auch überall auch deutlich teurer, aber auch billiger geht – vor allem, wenn man selbst mehr Hand anlegt und je mehr man auf recycelte Materialen setzt. Das untere Ende hat der kalifornische Künstler Gregory Kloehn erkundet: er baut aus geretteten Baumaterialien mobile Tinyhouses für weniger als 100 EUR. Damit hat er schon vielen Menschen aus der Obdachlosigkeit geholfen. Neben dem Anschaffungspreis ist auch mit geringeren Betriebskosten zu rechnen: Heizung, Instandhaltung und Steuern werden billiger sein als in „normal“ großen Häusern. Tinyhouses werden nicht selten von älteren Menschen mit geringen Ersparnissen und/oder geringer Rente bevorzugt, zumindest in den USA und Kanada. In Deutschland sieht es aktuell noch etwas mau aus. Wer wie ich ganz bewusst finanziell ein kleineres Rad schwingt und deutlich unter seinen Möglichkeiten lebt, für den ist ein Tinyhouse eine überlegenswerte Alternative. Wenn es auch nicht ganz dasselbe ist, betrachte ich meine Wohnung mit 39 Quadratmetern, die ich mir mit JH teile, als Tinyhouse im festen Haus. Und auch als Probe für den Umzug in ein „echtes“ Tinyhouse in ein paar Jahren.
Ökologische Aspekte. Tinyhouses sind auch eine ökologische Alternative zum „normalen“ Wohnen in Mietswohnungen oder festen Häusern: denn es ist sowohl weniger Energie für den Bau, als auch für den Betrieb nötig, als für klassische Behausungen aus Beton. Da für ein Tinyhouse eine viel geringere Grundfläche nötig ist, kann von einem Grundstück gleichzeitig mehr Fläche für die (Teil-)Selbstversorgung genutzt werden. Ein weiterer ökologischer, aber auch gesundheitlicher Vorteil: denn frischer als aus dem eigenen Garten wird es nicht mehr. Beim Wohnen in einem Tinyhouse lässt sich einfacher Offgrid leben – d.h. ohne den Anschluss an die Kanalisation, das Stromnetz usw. – gerade in der mobilen Variante für einen Campingplatz sollte es auch rechtlich einfacherer sein: dafür empfehle ich euch aber, euch ggf. separat zu informieren, wenn ihr hier Blut geleckt haben solltet.
Einfaches Leben. Wie oben schon angedeutet, hat die Tinyhouse-Bewegung ihre Wurzeln im Simple Living, also der Bewegung hin zum einfacheren Leben. Die kleinere Fläche schränkt automatisch die Möglichkeiten ein, sich mit ohnehin überwiegend unnützen Konsumgütern einzudecken. Das ist sehr befreiend! Und, es hat selbstredend zusätzlich positive finanzielle und ökologische Auswirkungen: man verbraucht weniger, muss so weniger arbeiten und hat mehr Zeit für die Selbstversorgung, die Eigenarbeit, für Hobbys, Freunde oder was einem sonst noch Spaß macht. Durch raffinierte Kombinutzung von Flächen und Einrichtungegegenständen, ist es möglich, sehr gut auf kleinstem Raum zu leben. Tinyhouses fördern die Idee und Schönheit einer kleineren, einfacheren und menschlicheren Existenz.
Häufig werden Tinyhouses mit Wohnwagen verglichen. Tinyhouses sind jedoch so gebaut, dass sie genauso lange halten wie traditionelle Häuser. Außerdem werden für den Bau von Tinyhouses eher Baumaterialen und -prinzipien angewandt wie bei traditionellen Häusern. Auch ästhetisch ähneln sie „richtigen“ Häusern stärker, als Wohnwagen das tun.
Hintergrund, Literatur, verschiedene Konzepte
Populär wurden Tinyhouses durch Jay Shafer, der mobile Tinyhouses gestaltete und in einem mit einer Größe von 8,9 Quadratmeter wohnte. Später gründete er u.a. Tumbleweed Tiny House Company. Dort kann man sich Pläne und Trailer für den Eigenbau oder auch gleich ganze Tinyhouses inklusive Finanzierung kaufen. Die Pläne sollte man für Deutschland jedoch nur als Anregung sehen: sie sind gehen nämlich nicht mit den deutschen Anforderungen an Anhänger konform. Ryan Mitchels Bücher wie Tiny House Living: Ideas for Building and Living Well in Less Than 400 Square Feet gibt eine phänomenal bebilderte Einführung in das Fantasiereich der Tinyhouses, während Tiny Houses Built with Recycled Materials: Inspiration for Constructing Tiny Homes Using Salvaged and Reclaimed Supplies sich mehr auf die Verwendung von Recyclingmaterialen konzentriert. Gleichwohl es heute sehr wohl moderne und hübsch eingerichtete Tinyhouses jeglicher Art gibt, hat das Thema seinen Ursprung in der Simple Living Bewegung. Das wird inbesondere in Gregory Paul Johnsons Buch: Put Your Life on a Diet: Lessons Learned from Living in 140 Square Feet: Lessons Learned Living in 150 Square Feet deutlich. Auch deutsche Architekten haben sich des Themas angenommen. So hat z.B. Richard Horden das Micro Compact Home (M-CH) mit 7.1 Quadratmeter, einen Wohncubus mit hochfunktioneller Koch-, Hygiene-, Ess- und Schlafgelegenheit für 1-2 Personen geschaffen. Luxuriöser ist da Maxim Kurennoys Futteralhaus Modell FH_25, das immerhin 25 Quadratmeter aufweist – darin soll allerdings auch eine Familie mit zwei Kindern Platz finden. Die meisten Bücher auf Deutsch zu dem Thema beziehen sich auf immobile Häuser. Das finde ich etwas schade, denn eigentlich ist für mich gerade der mobile Charakter von Tinyhouses interessant. Auch interessant ist Van Bos Unreal Estate – insbesondere unter dem Aspekt der Multifunktionseinrichtung.
Immerhin kann man ein Tinyhouse auf einem Campingplatz abstellen oder in einem Schrebergarten – sofern die Gemeinschaft das o.k. findet. Auf baurechtliche Aspekte will ich hier nicht weiter eingehen. Ihr könnt dazu hier, hier und hier mehr lesen. Auf wagendorf.de gibt es außerdem eine Community inklusive Anzeigen für Stellplätze und Teile.
Aber das geht doch nicht mit der Familie!
Doch. Sofern ihr das Englische nicht scheut: hier zwei Videos, die zeigen, dass es auch mit der Familie geht – wenn man nur will!
Und:
Noch sind sie relativ selten, was sicher auch damit zu tun hat, dass das Thema trotzdem noch relativ unbekannt ist und es wenig konkrete Beispiel in der näheren Umgebung gibt.
Wollt ihr ein Tinyhouse testen? Umfrage
Sofern ihr Interesse an einem Tinyhouse habt, möchte ich euch bitten an folgender Umfrage teilnzunehmen. Wenn das Interesse groß genug sein sollte, möchte ich dazu versuchen Workshops zu organisieren oder sogar eine kleine Tinyhouse Wohn- und Feriensiedlung planen. Aber alles nach einander. Danke für eure Teilnahme!
Tinyhouse Interessentenliste
Wer erfahren will, wie es an dieser Stelle mit dem Thema bei uns weitergeht, der möge sich dazu gerne auf der dazu speziellen E-Mail-Liste anmelden. Das ist nicht die genughaben-Newsletterliste! Ihr bekommt nur Tinyhouse-News.
2 Kommentare
Sich Gedanken um die Kosten fürs Wohnen zu machen, finde ich wirklich sinnvoll. Tinyhäuser üben da auf mich auch eine Faszination aus. Ich verstehe gut, wenn jemand so wohnen und leben möchte. Ich wohne trotzdem zur Miete, habe aber mit 35qm eine eher kleine Wohnung, (käme locker auch mit noch weniger aus). Die Kosten für Miete machen derzeit – einschließlich Heizung und Strom – 25% meines Teilzeit-Nettoeinkommens aus. Sicher in diesem Bereich ein Vorteil, im Ruhrgebiet und nicht in Hamburg, München oder Berlin zu wohnen und keine übermäßigen Ansprüche an Wohnungsgröße zu haben. Die meisten Leute im privaten und beruflichen Umfeld sind der Meinung, die Wohnung müsse unbedingt deutlich größer sein. Das finde ich völlig unsinnig.
Interessantes Thema! Freitags ab 20:15h und als Wiederholung samtags um die Mittagszeit gibt es zu dem Thema auf A&E (ae-tv.de) drei Sendungen zum Thema Tiny Living / Tiny Houses. Wir schauen uns das regelmäßig an und staunen immer über die Ideen und über die überschaubaren Platzverhältnisse.