Es ist ja heute nicht ungewöhnlich auf Menschen zu treffen, die 250 EUR oder mehr für sich allein für Essen im Monat ausgeben. Und ich will es nicht leugnen: auch ich habe, insbesondere, als ich angefangen habe zu arbeiten, manchen Monat so viel Geld für Essen ausgegeben. Der größte Teil ist für Essen außer Haus draufgegangen oder für teures Bio-Fleisch. Damit ist allerdings Schluss. Und: es ist durchaus möglich mit circa 60-180 EUR pro Kopf für Lebensmittel pro Monat auszukommen. 60 EUR erfordert schon einiges an Disziplin (Selbstanbau, Dumpster Diving und/oder den mehr als gelegentlichen Besuch von Free-Food-Veranstaltungen), aber 120-180 EUR ist gut möglich. Erfordert aber etwas Planung und die Fähigkeit zu kochen – es sei denn man ist bereit, jeden Tag Fertigpizza zu essen, was auch sehr günstig ist, aber andere Nachteile hat.
Der erste Schritt dazu ist: kochen lernen! Und damit meine ich nicht Pizza in den Ofen legen! Wobei auch dagegen von Zeit zu Zeit nichts spricht. Ihr meint, ihr könnt nicht kochen? Ich denke, wenn ihr eine Checkliste (z.B. einen Einkaufszettel) abarbeiten könnt, dann könnt ihr auch nach Rezept kochen. Beginnt mit etwas Einfachem, z.B. Nudeln mit Tomaten-Gemüse-Sauce. Besorgt euch ein Rezeptbuch mit einfachen und schnellen Rezepten – oder recherchiert im Internet. Das sollte aber nur der Anfang sein und es würde mich auch nicht wundern, wenn ihr damit noch nicht bei <100 EUR pro Monat pro Person ankommt.
Das Austauschprinzip. Ein Grund dafür, dass Kochen leicht teuer wird ist, dass man sich strikt ans Rezept hält. Da steht dann drin, man brauche eine Prise Zimt. Man kauft aber nicht eine Prise, sondern eine ganze Packung Zimt, obwohl man es sonst nie verwenden mag und zack, ist ein Gericht 3 EUR teurer. (Apropos Zimt: kann man super in Kaffee tun.) Für das Austauschen ist vor allem nötig zu lernen, was man in Rezepten weglassen und was ersetzen kann. Das ist auch ein wenig eine individuelle Frage. Ich substituiere beispielsweise Milchprodukte so: Statt Käse nehme ich Milch mit etwas Salz und Öl oder Frischkäse oder Sahne. Gerade bei Angaben zu Gemüsesorten und Gewürzen in Rezepten verlasse ich mich vielmehr auf das, was ich aktuell da habe und auf meine Intuition und weniger auf den genauen Wortlaut des Rezeptes.
Weitere Beispiele für das Austauschprinzip: Wenn in einem Rezept beispielsweise Zucchini steht und die Zucchini ist aber gerade recht teuer, dann würde ich sie sofort gegen ein anderes grünes Gemüse ersetzen (z.B. Gurke, Wirsing-Kohl oder Spinat). Gerade durch solche Experimente kommt ihr auch auf Kombinationen, die ihr mögt und auf die ihr sonst nicht gekommen wäret. Die Austauschstrategie gilt auch für Brot (Mehlsorte, mit Milch, Getreidemilch oder Wasser, mit Gewürzen, Samen oder sogar Bohnen) oder auch für Hummus: eine Hülsenfrucht (Kichererbsen, weiße oder rote Bohnen, Linsen), ein Nuss- oder Samenmus (Tahin-, Erdnussmus oder Sonnenblumenkerne), eine Säurequelle (Zitrone oder Essig) und Gewürze (Koriander oder whatever you like) und Öl (Olive o.ä.). Das Nussmus kann man ggf. auch auslassen und mit etwas Mehl und/oder (mehr) Öl auswechseln… es gibt noch mehr solche Gebiete. Wie gesagt: das Rezept ist nur der Anfang.
Ein Tipp zum Austauschen, probiert ein bisschen von dem, was ihr schon gekocht habt und riecht an den Zutaten, die ihr überlegt, hinzuzufügen, dann kann man sich meist schon ganz gut vorstellen, wie es zusammenpasst. Ein guter Trick ist auch ein wenig vom Reingewürz zu essen und damit ein wenig hin und her zu laufen. Es gibt sogar Geschmacksnerven nahe dem Magen, die einem erst den endgültigen gemschacklichen Eindruck vermitteln. Wenn ihr die Zutat dann hinzugetan habt, schaut wie es zusammenwirkt.
Wichtig: Es ist in jedem Fall eine gewisse Unerschrockenheit erforderlich: Wenn ihr bei Geschmackserlebnissen unflexibel seid und alles, was nur ein wenig anders als erwartet schmeckt gleich gar nicht mehr mögt, dann solltet ihr eher ein Rezept aussuchen, dass das berücksichtigt, was gerade günstig ist (das ist bei Gemüse übrigens meist das, was gerade hier Saison hat, insofern ist es häufig auch ökologisch sinnvoll). Im Zweifel: vertraut darein, dass euer Geschmack gar nicht so unflexibel ist. Es ist in der Regel nur ein wenig Wiederholung nötig, um sich ganz neue Geschmacksqualitäten dauerhaft zu erschließen. Ganz konkret: die ersten 3 Süßkartoffeln mochte ich auch nicht soo gerne, aber mittlerweile habe ich mich an den Geschmack gewöhnt und mag sie richtig gerne.
Einfache Dinge essen. Das bringt mich zu einem weiteren wichtigen Eckpfeiler einer kosteneffektiven Ernährung: esst wirklich einfache Dinge. Ich esse beispielsweise 1-3x pro Woche einfach eine große Süßkartoffel, die ich in der Mikrowelle zubereite und über die ich stark entöltes, zartbitteres Schokoladenpulver gebe. Ggf. noch ein paar Nüsse und manchmal noch etwas Marmelade dazu. Gerne dazu dann noch 1-2 Äpfel oder was sonst gerade gut und günstig zu haben ist: fertig ist das Mittagessen für 1-1,50 EUR. Auch okay: Brot – am besten selbst gebackenes und dazu einen Aufstrich ggf. auch selbst-gemacht. Oder auch gut: Bohnen in Tomantensauce (passierte Tomaten + Gewürze) gekocht und dazu Rotkohl. Alles sehr günstige Mittagessen-Menüs.
Einkaufregeln. Damit es wirklich günstig ist müsst ihr beim Einkaufen Acht geben:
- Kauft haltbare Lebensmittel in Großpackungen. Am besten ihr bestellt sie 1-2x im Jahr bei einem Großhändler oder direkt beim Erzeuger. Wenn ihr diese Regel befolgt, spart ihr schon einmal bis zu 25%, manchmal mehr. Das gilt für z.B. Reis, Hafer, Nudeln, Linsen, Bohnen, Mehl, Gewürze, Nüsse, Kerne und Dosenvorräte.
- Was ist gerade heruntergesetzt?
- Was hat Saison? Das sollte euren Einkaufszettel bestimmen.
- Kann ich irgendwo eine große Menge herbekommen -> 20kg Reis im Asia-Markt sind meist günstiger als 20x 500g Reis im Supermarkt.
- Und: immer in die Ecke mit den reduzierten Produkte nahe am MHD gucken: meist sind die noch gut.
Größere Mengen kochen. Seit ihr dann etwas weiter gekommen und habt schon etwas Routine, weil ihr z.B. für 3-4 Wochen 1-3x pro Woche abends gekocht habt: kocht größere Mengen! Kocht gleich für 3 oder mehr Tage. Euch reicht die Abwechslung nicht? Dann kocht 2-3 verschiedene Gerichte für die ganze Woche! Oder kocht den aufwendigen Teil, z.B. gebratenes Gemüse, Fisch, Fleisch, Tofu und Saucen fertig, so dass ihr nur noch Reis oder Nudeln dazu machen müsst. Generell: esst weniger teure Sachen: i.d.R. schmeckt ein Linsen-Reis-Eintopf auch mit relativ wenig Fleisch oder Tofu schon sehr gut. Auch das ist eine Frage der Gewöhnung.
Eintöpfe. Apropos Linsen-Reis-Eintopf. Eintöpfe sind am simpelsten. Der Linsen-Reis-Eintopf ist ein sehr einfaches Gericht, schnell gemacht und pro Portion weniger als 1 EUR: in einem großen Topf 2 Zwiebeln anbraten, dann 2 Tassen Rote Linsen dazu (vorher die Linsen abwaschen: wenn ihr habt in einem Sieb, sonst einfach in einer Schüssel etwas durchspülen) und die 2,5x Menge Wasser dazu (wenn ihr 2 Tassen Linsen genommen habt, dann nehmt 5 Tassen Wasser). Nun lasst ihr die Linsen im Wasser mit den angebratenen Zwiebeln kochen. Kocht 2 Tassen Reis mit 2-2.5 facher Menge Wasser im Drucktopf. Am Ende mischt ihr alles zusammen mit klein geschnittenem Gemüse eurer Wahl inkl. 5-10 Zehen Knoblauch. Pfeffer, Salz, Thymian, Oregano und 1-2 Dosen gehackte Tomaten. Reicht für mind. 4 Mahlzeiten. Auch hier: einfach googlen, es gibt unzählige Varianten von Eintöpfen.
Weitere Rezeptanregungen. Auch einfach geht Kartoffeln + Pfannengemüse: z.B. eine Zwiebeln + Gemüse eurer Wahl in Würfeln, Scheiben o.ä. in der Pfanne anbraten: es gibt heutzutage unendlich viele Kochvideos. Sucht Dinge, die schnell und einfach gehen. Auch Ofengemüse ist einfach, lecker und gesund.
Je genauer ihr wisst, was ihr zusammen mögt und was nicht, umso eher könnt ihr euer Essen um die günstigen Nahrungsmittelangebote herumplanen und nicht umgekehrt: das ist im wesentlichen das Geheimnis günstigen Essens.
Anbauen. Falls ihr Fläche und Lust habt: alles, was ihr selbst anbaut, müsst ihr nicht kaufen. Inwieweit ihr dabei allerdings kosteneffektiv bleibt, hängt davon ab wie stark eure Aktivitäten ausarten und wie sehr ihr auf ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis achtet. Den Folientunnel habe ich mit dem in ihm angebauten Gemüse noch nicht wieder hereingeholt, das wird aber passieren. Die Äpfel, die wir jedes Jahr ernten, sparen mir hingegen im Jahr locker 100 EUR. Letztlich ist der Garten inklusive der eingekochten Gerichte der Grund dafür dass ich in in so manchem Monat <100 EUR für essen ausgebe. Jetzt könnte man mit dem Argument kommen: in der Zeit, in der du gärtnerst, würde es sich eher lohnen, Geld zu verdienen. Das stimmt im Prinzip, gleichzeitig bleibt der Netto-Geldabfluss dennoch kleiner, es macht mir mehr Spaß, als noch 1 Stunde mehr zu arbeiten und je nachdem, worauf man sich konzentriert, kann man durchaus ein recht ansehnliches Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielen (z.B. mit Salat).
Gesund kochen. Lest 1-2 Bücher über Ernährung, merkt euch, was ihr mögt und ihr seid in ein paar Monaten in der Lage, sehr gesund für 100 oder weniger EUR zu wirtschaften. Wer Englisch kann, kommt an How Not to Die: Discover the Foods Scientifically Proven to Prevent and Reverse Disease nicht vorbei. Auch wenn du nicht vegan bist. Auf Deutsch finde ich Krebszellen mögen keine Himbeeren: Nahrungsmittel gegen Krebs. Das Immunsystem stärken und gezielt vorbeugen. Wen der Krankheitsbezug verwirrt: eure Ernährung ist eure absolute first line of defense. Mit nichts könnt ihr eure Gesundheit selbst besser kontrollieren. Nicht einmal mit Sport. Obwohl rein gar nichts dagegen spricht, beides zu betreiben. Das Thema ist so umfassend, dass man dazu einen eigenen Blog schreiben müsste. Für wen das total neu ist, der lese unbedingt The Seventy Percent Solution von Terry L. Wahls. So, jetzt bin ich weit abgeschweift, dabei sollte es in diesem Artikel ja nur um günstige Ernährung gehen. Gleichzeitig macht günstig ohne gesund aus meiner Sicht keinen Sinn, denn sonst spart man später nur in einer anderen Währung: mit der eigenen Lebenszeit. Wer entweder vegan kochen mag oder wem z.B. Dr. Gregers starker Fokus darauf nicht allzu viel ausmacht (ich bin nach wie vor kein Veganer, finde Gregers Arbeit aber sehr gut), der kann vieles auf seinem Portal: nutritionfacts.org über gesunde Küche lernen. Für Kochmethoden ist z.B. dieses Video interessant: Best Cooking Method.