In Teil 1 ging es gestern um Einjährige Pflanzen. Hier jetzt die Fortsetzung.
Mehrjährige.
Mehrjährige Pflanzen verfolgen eine ganz andere Strategie als Einjährige. Sie sind langlebig. Manche können Jahrtausende alt werden (wie die langlebige Kiefer, die patagonische Zypresse oder der Mammutbaum). Dazu gehören Stauden (Pflanzen mit grünen, holzlosen Stämmen) und Reben, Büsche und Bäume (holzige Stämme). Sie können von Art zu Art sowohl aus unterschiedlichen Pflanzenteilen wie aus Samen hervorwachsen. Sie wachsen verglichen mit einjährigen langsam, bilden längere Wurzeln (tiefer als 1,2m; maximal 60m), stabilisieren den Boden und schützen ihn so vor Erosion. Sie erhalten so auch Zugang zu Wasser und Nährstoffen in tieferen Erdschichten und haben Zeit sich gut zu entwickeln. Weil ihr Leben länger ist als das der einjährigen verfügen sie über ausgefeiltere individuelle Strategien mit Konkurrenten, Schädlingen und Krankheiten umgehen zu können.
All das erklärt, warum Mehrjährige besser an auch anspruchsvollerer Umgebungen angepasst sind (wie z.B. Höhenlagen, extreme Hitze oder sehr arme Böden) und warum auf die Erstbesiedelung durch Einjährige auf freien Felder in der Natur immer sofort ein Bewuchs mit Mehrjährigen folgt. Mehrjährige brauchen relativ gesehen weniger Nährstoffe und starten nach einem Winter gegenüber allen Einjährigen mit einem ordentlichen Startvorteil: ihr Pflanzenkörper ist schon da, während der der Einjährigen erst noch neu wachsen muss. Dies ist auch ein Grund dafür, warum man etwa mit den ersten Einjährigen erst Ende März, häufig auch noch später zu rechnen hat, während diverse Mehrjährige auch schon von Januar oder Febraur an beerntet werden können. Früher und mit Sicherheit auch in Zukunft eine sichere lokale Vitamin- und Nährstoffquelle in der sonst erntearmente Zeit zwischen Januar und März.
Nachteile bzw. Beachtenswertes zu Mehrjährigen.
Nachteilig wirken sich manifeste Mehrjährige besonders darum aus, weil sie eben nicht kommen und gehen wie Einjährige und dadurch auch keine Fruchtfolge möglich ist. Gleichwohl gegen Krankheiten im Schnitt besser gewappnet als Einjährige, können Krankheiten bei Mehrjährigen im Gegensatz zu Einjährigen chronisch werden. Gegenmaßnahmen sind durch Polykulturen und Anwendung von Jauchen, Tees oder Auszügen möglich. Grundsätzlich muss man bei vielen mehrjährigen auch zu Anfang mehr Zeit mitbringen: einige Mehrjährige wachsen zu Anfang einfach langsamer als Einjährige. Gerade darum sollte man mit Gärten Mehrjähriger heute beginnen, wo uns hier noch recht viele Lebensmittel zur Verfügung stehen! So können wir die dann etwas verzögert die später relativ gegenüber den Einjährigen erhöhte Bioproduktivität nutzen. Manche mehrjährige sind so produktiv, dass sie zu Unkräutern werden. Es sind ggf. Schutzmaßnahmen wie Wurzelsperren (z.B. bei Topinambur oder Bambus) anzuwenden! Es ist Wissen zu Mehrjährigen notwendig. Hierzu empfehle ich z.B. Erico Toensmeiers Perennial Vegetables oder Martin Crawfords Creating a Forest Garden, viele Pflanzenprofile und Handhabungs- sowie Vorsichtshinweise findet man unter Plants for a future (pfaf.org). Ich würde grundsätzlich – ob Mehr- oder Einjährige empfehlen dort und auch sonst im Internet zu recherchieren! Im Falle z.B. der Nachtschattengewächse oder auch der Doldenblütler sind Verwechslungen mit giftigen nahen Verwandten möglich (z.B. Petersilie und Hundspetersilie)! Ein weiterer Nachteil ist, dass die Blätter mancher Mehrjährige, sobald sie älter werden bitterer oder sonst weniger gut genießbar werden. Dies gilt allerdings auch für manche zu alte Einjährige.
Man sollte Mehrjährige nicht in Polykultur mit einjährigen Nutzpflanzen pflanzen. Die Ernte Einjähriger könnte sonst regelmäßig den Boden und damit den Wurzelstock der Mehrjährigen stören. Manche Mehrjährige – gerade die der nördlichen Hemisphäre haben starke Geschmäcker. Man möge sie daher zunächst kulinarisch sparsam anwenden. Manche Gerüche machen die Mehrjährigen mitunter zu idealen Pflanzenschutzmitteln.
Folgen und Schlußfolgerung des regelmäßigen Anbaus Mehrjähriger:
- von allen Landpflanzen in der Natur sind die allermeisten mehrjährig. Aufgrund ihrer Lebensdauer, ihres Artenreichtums und ihrer bodenstabilisierenden Wirkung bilden sie stabile Ökosysteme – nicht nur für die Natur. Mehrjährige können aufgrund ihrer Beständigkeit gerade im Frühjahr eine wertvolle Bereicherung mit frischem Gemüse darstellen. Das ist insbesondere interessant, wenn man sich nicht auf eingeflogendes oder extrem konserviertes (etwa radioaktiv betrahltes oder Dosen-)Gemüse verlassen mag.
- Mehrjährige müssen nicht jedes Jahr neu gepflanzt werden, was viel Energie und Arbeit spart. Es muss nicht gepflügt, umgegraben und gesät werden.
- tiefe Wurzeln sorgen für einen viel geringeren Düngerbedarf. Da Dünger zu viel größeren Anteilen auch wirklich von der Pflanze aufgenommen werden kann, resultieren Kostenvorteile und Umweltvorteile, da weniger Dünger in Grundwasser und anderen Gewässern endet.
- schließlich kann man mit Fug und Recht sagen, dass mehrjährige Pflanzen nachhaltiger, weniger arbeitsaufwändig und energieintensiv als einjährige Pflanzen sind.
- gleichwohl haben Mehrjähige selbst ebenfalls einige Herausforderungen, die zu beachten sind (Verwechslungsgefahren, schwierigere Krankheitsbehandlung, Entwicklung dauert zu Anfang, Unkrautgefahr sehr produktiver Mehrjähriger, nicht gut mit Einjährigen zusammenpflanzbar)
Mehrjährige können einen wesentlichen Anteil daran haben insbesondere unseren lebensmittelerzeugenden Sektor nachhaltiger und auch resilienter zu machen. Sicher ist dabei aber nicht völlig auf einjährige zu verzichten. Wie in den meisten Fragen des Lebens liegt die Wahrheit in der Mitte. Ich für meinen Teil werde auch kaum auf einjährige Pflanzen verzichten wollen, bin aber überzeugt, dass Mehrjährige einen wesentlichen Teil für eine zukunftsfähige und nachhaltige Welt haben, den mehrjährige können uns:
- diverse Lebensmittel (z.b.: Guter Heinrich),
- medizinisch Wirksame Tees, Extrakte usw. (z.B. Kamille)
- Baumaterialien (Bambus, Naturschnüre und Holz),
- Futtermittel für Tiere
- Lebensraum für den Menschen, aber auch Wildtiere
- Naturmaterial als Wärmeenergiequelle
- natürliche Düngemittel (z.B. Beinwell) und Pflanzenschutzmittel (z.B. Brennessel)
- Biotreibstoffe (z.B. Koniferen) sowie
- pflanzenölbasierte Chemikalien für Kunststoffe, -harze und Medikamente liefern
Erprobt sind diese meisten Funktionen in tropischen Regionen der Welt. In der nördlichen Hemisphäre sind zu manchen dieser Aspekte noch Experimente nötig. Einige davon führt Martin Crawford in Darlington bei Totnes (DER Transition Town) durch. Ich selbst werde 2013 selbst mit meinen Experimenten beginnen und freue mich auf jeden, der auch Lust hat mit Mehrjährigen zu arbeiten.
Update: Hermann hat mich auf einige Fehler aufmerksam gemacht, die ich nun hoffentlich alle korrigiert habe! Danke, Hermann.
1 Kommentar
Ein großes Dankeschön, dass Sie sich die Zeit genommen haben so einen informativen Bericht zu schreiben! Habe einiges daraus gelernt.
Lg Sanja