Ich bin mit dem Thema der mehrjährigen Pflanzen erstmalig vor etwa drei Jahren im Rahmen meiner ersten permakulturellen Gehversuche begegnet. Erst aber seit diesem Jahr folge ich dem Pfad, den uns Größen wie Martin Crawford, Eric Toensmeier oder auch Leander Wolstenholme weisen. Ich möchte euch einladen einen kleinen Teil mitzugehen.
Unter mehrjährigen Pflanzen versteht man Pflanzen, die mindestens 3 Jahre oder länger bestehen bevor sich neu gepflanzt werden müssen. Wir ernähren uns „normal“ (also aus dem Supermarkt) nur aus etwa 20 einjährigen Pflanzen. Gegenwärtig sind schätzungsweise 80% der global geernteten Pflanzen einährige Pflanzen. Und das ist nicht erst seit gestern so. Schon erstaunlich, dass wir uns das antun. Und auch erstaunlich, dass wir so ganz freiwillig auf eine atemberaubende Vielfalt anderer köstlicher und gesunder Pflanzen – nicht nur mehrjährige, sondern auch einjährige verzichten.
Mehrjährige Pflanzen werden hingegen nicht nur kaum angebaut, sondern sind auch zum größten Teil schlicht unbekannt. Zu den wenigen mehrheitlich bekannten essbaren mehrjährigen Pflanzen gehören in unseren Breiten insbesondere Spagel, Rhababer und Artischoken. Es gibt jedoch aber noch hunderte weiterer Sorten.
Ich finde, dass das Thema mehrjährige Pflanzen besonders gut illustriert wie viel unnötigen Aufwand wir Menschen uns machen und damit scheinbar dem Credo: „wenn schon nicht produktiv, dann wenigstens aktiv“ folgen.
Je nachdem welche Studie wir heranziehen werden Weltenergieverbrauch 25%-35% allein für die Erzeugung und Verteilung von Lebensmitteln verbraucht. Je nach Studie können zudem 30-40% der Umweltbelastungen auf den gegenwärtigen Lebensmittelsektor zurückgeführt werden. Ist das wirklich alternativlos?
In der Permakultur wird starker Wert auf die Verwendung mehrjähriger Pflanzen gelegt. In der Permakultur geht es um beständige, um stabile Systeme. Im Grunde drängt sich daher der Gedanke geradezu auf zu Nahrungsmittelerzeugung auf mehrjährige Pflanzen zu setzen, statt auf einjährige und daher temporäre Gewächse.
Offensichtliche Vorteile.
Mehrjährige Pflanzen müssen nicht jedes Jahr neu gepflanzt werden. Deswegen muss auch nicht jährlich umgegraben oder gesät und am Ende der Saison eventuelle Pflanzenreste entfernt werden, was sich auf den Arbeitsaufwand, den Energieverbrauch und die Umweltbelastung positiv auswirkt. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe gesundheitlicher, kulinarischer und ökologischer Gründe mit mehrjährigen Pflanzen zu arbeiten – oder eben gerade weniger Arbeit zu haben. Zuvor jedoch ein paar Details.
Einjährigen und Mehrjährigen.
Es gibt einjährige und mehrjährige nicht umsonst in der Natur. Beide haben nicht nur den für uns so interessanten Nutzen, sondern auch eine ökologische Funktionen und diese helfen uns sogar noch mehr Nutzen von ihnen zu haben.
Einjährige Pflanzen.
Wie der Name sagt, leben einjährige ein Jahr. Sie wachsen sobald es die Vegetation zulässt aus Samen und sterben am Ende der Vegetationsperiode wieder ab. In der Zwischenzeit haben sie ein recht „stressiges“ Leben. Entsprechnd der Strategie „lebe schnell und sterbe jung“ wachsen sie unter Verbrauch vieler Bodennährstoffe im rasenden Tempo heran, bilden Blüten und dann noch Samen in großer Zahl bevor sie selbst sterben, um so zu garantieren, dass im nächsten Jahr wenigstens einige ihrer Nachfahren das Licht der Welt erblicken werden, um so das Überleben der Art sicherzustellen.
Das solche Pflanzen sich während dieser kurzen Zeit nicht wirklich etablieren können scheint nicht verwunderlich. Und auch nicht, dass weniger etablierte Pflanzen wohl tendenziell weniger ausgefeilte Schutzmechanismen gegen Krankheiten, Konkurrenten und Schädlinge entwickeln. Wozu auch? Die Strategie der einjährigen ist Masse statt Klasse. Massenhaft Samen produzierend wird sie schon hie oder da im nächsten Jahr wieder auftauchen. Wer käme denn schon auf die Idee Jahr um Jahr immer wieder nur eine Sorte einjähriger Pflanze anzubauen … ups!
Die Wurzeln einjähriger Pflanzen reichen nicht besonders tief ins Erdreich. Die meisten reichen nur etwa 15cm, einige wenige bis 1,2m tief. Daher lassen sie sich auch in fast allen üblichen Beeten anbauen.
In der Natur sind einjährige Pflanzen meist sogenannte Pionierpfanzen. Sobald ein Feld durch Menschen (= das Wort Feld kommt von „fällen“ bzw. vom Partizip „gefällt“) oder Feuer enstanden ist, besiedeln sie schnell als erste (=Pioniere) den nackten Boden und tun sich gütlich an den dort reichlich vorhandenen Nährstoffresten des einst dort existierenden Lebenssystems. Es erscheint so ganz offensichtlich, dass Einjährige keine permanenten, stabilen Ökosysteme bilden, da sie als temporäre Pfanzen nur eine Saison leben und anschließend nackten Boden hinterlassen. In natürlichen Systemen kommt es jedoch ebensowenig wie in Permakultur-Systemen zu nacktem, erosionsgefährdeten Boden. Denn im nächsten Schritt folgen den einjährigen Pflanzen in natürlichen Systemen persistentere mehrjährige Gewächse, mindestens kommen sie hinzu.
Folgen des regelmäßigen Anbaus rein einjähriger Pflanzen.
Baut man nun Einjährige immer wieder an, muss man mit folgendem rechnen:
- Sie müssen häufig gewässert werden, dass Wasser schnell tiefer als 15cm in den Boden einsickert und dann für den Großteil ihrer Wurzeln nicht mehr erreichbar ist. Besonders häufig gegossen werden muss auf den degenerierten Böden auf denen wir sogenannte Landwirtschaft betreiben, da ihm durch häufiges Umgraben ihr organischer Anteil immer mehr abhanden und damit seine Fähigkeit Wasser zu speichern abhanden kommt.
- Sie müssen regelmäßig mit Nährstoffen versorgt werden. Was für Wasser gilt, gilt ebenso für die Nährstoffe, die die Pflanzen mit Hilfe des Wassers aufnehmen. Ist der Dünger, den die Schnellwachser so dringend brauchen außer Reichweiter ihrer kurzen Wurzeln in den Boden gesickert, brauchen sie Nachschub. Gleichzeitig verunreinigt der nicht verbrauchte Dünger Grundwasser und andere Gewässer.
- Ihre kurzen Wurzeln können den Boden kaum stabilisieren. Sie können also nicht dem langsamen und gefährlichen Verlust an Humus- und Bodenersion entgegenwirken.
Schlußfolgerung.
Entsprechend dieser Schlussfolgerungen „funktioniert“ unsere „normale“ Landwirtschaft. Nachdem gesäät wurde oder Jungpfanzen gepfanzt wurden wachsen sie mit Hilfe großer Mengen Dünger. Da Einjährige auf Ertrag und nicht auf ökologische Vielseitigkeit bzw. Resistenz gezüchtet werden, sind sich den nicht so benachteiligt selektierten Unkräutern, die ökologisch viel fitteren sind relative machtlos ausgeliefert. Zusätzlich folgen massenhaften Pionierpflanzen auch massenhaft Pioniertiere – sogenannte Schädlinge. Deswegen werden dann Unmengen an chemischen „Hilfsmittel“ eingesetzt, um die Pflanzen zu schützen: Pestizide, Fungizide und Herbizide.
Neben der chemischen Keule wird mit Fruchtfolgen und Umgraben gearbeitet. D.h. man pflanzt nicht jedes Jahr die gleiche Frucht an, um lokale Nährstoffdefizite zu vermeiden und Krankheitserreger einzudämmen, indem man ihnen zeitweilig ihren Wirt wegnimmt. Meiner Erfahrung nach wird von Fruchtfolgen immer häufig abgesehen, um etwa viele Jahre hintereinander Mais anbauen zu können, dass aufgrund des absolut irrationalen Biotreibstoffbooms hochsubventioniert wird. Nicht nur ensteht so mehr Hunger auf der Welt, sondern wir verbrennen eine unserer kostbarsten Ressourcen unserer Welt – unseren Boden. Umgraben ist in vielen Fällen eine rurale Legende. Es gibt bereits nicht wenige Bauern – wenigstens in den USA – die auf das Umgraben verzichten.
Warum nun soviele einjährige heutzutage? Ein wichtiger Grund für den Schrittweisen Übergang zu immer weniger hochgezüchteten Einjährigen ist sicher, dass Experimente mit ihnen schneller ausgeführt werden können. Aber das allein hat längst nicht dazu geführt, dass heute mehrheitlich nur noch circa 20 Pflanzen im Handel sind. Es geht hier vielmehr um Geld: den mit wenigen Ausnahmen lohnt sich die gentechnische Veränderung und die zugehörige Patentierung finanziell erst richtig bei einjährigen Pfanzen: denn bei sterilem Saatgut muss dies aufgrund der einjährigen Lebensdauer der Pflanzen jährlich neugekauft werden!
Übermorgen, in Teil 2, folgt die Fortsetzung zu mehrjährigen Pflanzen.
3 Kommentare
Dann hoffe ich, dass ich hier auch eine Liste der hundert mehrjaehrigen Pflanzen bekomme, die gut schmecken, halbwegs Ertrag bringen und eine so reiche Vielfalt bieten, wie die einjaehrigen.
Klar, mache ich gerne. In Teil 3 kann ich mal ne Liste ranhängen. Und: im Verlauf des Jahres werde ich dann und wann mal schreiben wie es mit den einzelnen Pflanzen so läuft.
Habe ich jetzt Teil 3 verpasst? Die Saison beginnt bald und ein paar Tips waeren nett. Gruss RR