Spezialisierung und Arbeitsteilung sind ein universell auftretendes Phänomen. Es gibt sie nicht nur unter den Menschen, sondern auch im Tierreich. Staatenbildende Insekten wie Ameisen oder Bienen spezialisieren sich auf unterschiedliche Aufgaben. Bienen spezialisieren sich im Laufe ihres Lebens z. B. auf die Brutpflege, das Sammeln von Honig oder das Bewachen des Stocks. Arbeit, die in unserem Körper/unseren Zellen erledigt werden muss teilt sich auf verschiedene Organe/Organellen auf. Prachtanemonen und Exemplare des Falschen Clownfisch, aber auch Bäume kooperieren unter Mithilfe von Mykorrhiza-Pilzen. Auch in der menschlichen Geschichte hat es immer Arbeitsteilung gegeben. Sei es die Aufteilung der Arbeit zwischen Mann und Frau, als die Menschen noch als Jäger (=Mann) und Sammler (=Frau) das Land durchstreiften, die Fließbandarbeit in Henry Fords Autofabriken oder die moderne territoriale Aufteilung der Billig-Pizzaherstellung auf 4 Ländern im Wege der Globalisierung (Milch und Käse = Irland, Tomate = Italien, Wurst = Ungarn, Zusammensetzen und Backen = Deutschland).
Arbeitsteilung tritt dann auf, wenn die Ausführung einer Arbeit oder die Bewältigung eines Problems kompliziert ist, sie aber in verschiedene Teilschritte untergliedert werden kann, die getrennt (parallel) voneinander abgearbeitet werden können (Die Komponenten eines Computers können getrennt hergestellt werden, eine Raumfarbe kann jedoch nur von einer Person angerührt werden).
Die Verteilung der Arbeiten auf mehrere Mitarbeiter steigert durch Geschwindigkeits- und Kostenvorteile die Arbeitsproduktivität. Kaum jemand könnte ein Auto bauen, sofern er selbst dazu noch das Erz für die nötigen Metalle der Komponenten schürfen müsste.
Daher verkürzt sich auch die Ausbildungs- und Einarbeitungsdauer dramatisch, wenn Arbeitsschritte auf mehrere Menschen aufgeteilt wird: Nehmen wir an, es gebe zwei Fachgebiete A und B, deren erlernen die gleiche Dauer D beansprucht. Die Fachgebiete A und B sind für die Erledigung zweier Tätigkeiten zur Herstellung eines Produktes nötig. Zwei Personen könnten nun jeweils beide Fachgebiete erlernen und würden dazu die Ausbildungszeit 2D benötigen. Lernt jeder nur ein Fachgebiet, sind beide bereits nach der Zeitdauer D einsatzbereit. Der Zeitvorteil ist offensichtlich.
Da dieser Zusammenhang so bis zu einem bestimmten Tätigkeitsniveau lohnt, gibt es heute im Grunde überwiegend Spezialisten – und nur kaum noch Generalisten. Für die industrielle Massenproduktion hat das große Vorteile – und damit auch für die Konsumente.
Die Arbeitsteilung hat aber auch sowohl für den einzelnen als auch generelle gravierende Nachteile.
Nachteile für den Einzelnen
Die Beziehung zur Arbeit bzw. zum hergestellten Produkt wird abstrakter und auch unklarer. Je einfacher die konkrete Tätigkeit der Arbeit ist, desto eher können sich Langeweile und Frustration einstellen, was sich negativ auf die Produktivität und die Zufriedenheit der Menschen auswirkt.
Wer dringend aufsteigen will, muss im Job permanent sehr gut sein, um sich gegen zahlreiche Konkurrenten auf dem Weg hoch auf die Karrierepyramide (*) durchzusetzen. Dazu ist großer Zeiteinsatz notwendig, weswegen wenig Möglichkeiten verbleiben auch in anderen Bereichen Kompetenzen aufzubauen. Deshalb haben viele auf ihre Tätigkeit Spezialisierte kaum weitere Fähigkeiten. Sofern der Job im spezialisierten Bereich verloren geht, ist die Suche einer anderen Tätigkeit ggf. mit hohen Barrieren versehen.
Der fehlenden weiteren Fähigkeiten wegen werden auch im normalen Alltag ständig Leistungen andere Spezialisten benötigt. Sei es direkt in Form von Dienstleistungen oder aber durch die Verwendung von Spezialisten hergestellten Maschinen. Die Abhängigkeit ist enorm.
(*) Es wird oft von einer Leiter gesprochen. Tatsächlich gleichen Hierachien in Unternehmen jedoch mehr Pyramiden. Es gibt keine beliebige Zahl von Chefsesseln.
Generelle Nachteile
Hocharbeitsteilige Produktionsinfrastrukturen reagieren nur träge auf grundlegende technische Innovationen. Das Design von Autos ändert sich nur über Jahrzehnte nur langsam – wenn man nicht gerade wie Joe Justice produziert.
Die schrittweise Beförderung von Mitarbeitern kann darin resultieren, dass jemand ob seiner Leistung solange befördert wird, bis er in einem Arbeitsbereich angekommen ist, den er eigentlich nicht (so gut) beherrscht – weswegen er von dort nicht weiter aufsteigt (dieses Phänomen ist bekannt als Peter Prinzip).
Die territoriale Arbeitsteilung, die die Globalisierung mit sich brachte, steht auf tönernen Füßen, da sich nur solange vernünftig funktioniert wie Energie (für den Transport) billig ist bzw. die wirtschaftlichen Beziehungen gut funktionieren. Wer wohl die ganzen Tomaten in Italien essen wird, wenn sich irgendwann der Transport nach Deutschland nicht mehr lohnen sollte? Und, was werden wir Deutschen dann abends auf ihrer Pizza essen? Zugegeben, dass mag nicht sobald oder vielleicht auch gar nicht passieren. Es wäre jedoch zumindest im Sinne einer effizienten Wirtschaft, wenn zumindest sinnlose Transaktionen ausblieben: wie etwa der Im- und Export nahezu identischer Wirtschaftsgüter zwischen Ländern, die diese jeweils auch gut selbst produzieren können. Ein Beispiels sind z.B. Kartoffeln.
Wie zu Anfang erwähnt hat es Arbeitsteilung schon immer gegeben und es wird sie auch immer geben, aber ein so tiefgreifende Spezialisierung auf einzelne Aufgaben wie heute hat es zuvor wohl nie gegeben. Das bewirkt nicht nur eine Abhängigkeit von anderen, sondern auch, dass der Außenblick für den Gesamtprozess verlorengeht. Im Auge des Spezialisten wird die ganze Welt zum Nagel für den Hammer des zugehörigen Fachgebietes. Ein Jurist sieht nur juristische Probleme, ein Handwerker nur handwerkliche Probleme, ein Versicherer nur Versicherungsfälle und ein Lehrer nur pädagogische Probleme. Diese enge Sichtweise verhindert die breite Perspektive, die für die Lösung tiefgreifender Probleme vonnöten ist.
Original veröffentlicht am 15. Apr 2012 @ 22:17. Erneut veröffentlicht am 18. Mai 2016 12:00
2 Kommentare
Interessanter Artikel – meiner Meinung nach hat Krieg auch eine große Bedeutung. Durch die Globalisierung sinkt das Risiko eines erneuten großen bewaffneten Konfliktes.
Folglich können Unternehmen mehr auf ausländische Marktteilnehmer vertrauen und verlängern quasi ihre eigene „Werkbank“.
Wahrscheinlich kann man den Grad der Spezialisierung auch an der jeweiligen Gestaltung der Freizeit ablesen:
Wenn jemand z.B. den ganzen Tag am Computer arbeitet, macht er in der Freizeit vermutlich eher weniger am PC- es sei denn, er ist ein totaler Nerd.
Die meisten Leute suchen -oft intuitiv- nach einem Ausgleich.
Mache ich eine Arbeit, die an sich schon sehr abwechslungsreich ist, so spiegelt sich dies auch in der Freizeit.
Im Idealfall habe ich eine so interessante und vielseitige Arbeit, dass ich überhaupt keinen Bedarf mehr für Urlaub habe.
Na ja, grau ist alle Theorie…;-)