Liebe Leute,
heute erneut ein Beitrag von Martin, der hier bereits mit den Artikeln: Der Tisch meiner Tante, Permakultur-Prinzipien und Pädagogik, Kinder im Sinne der Permakultur erziehen vertreten ist. Heute eine Übersetzung aus Jacobs Blog: Early Retirement Extreme. Jacob hat schwerpunktmäßig zwischen 2008 und 2011 über Minimalismus und Geld geschrieben. Leider schreibt er seitdem nicht mehr. In der folgenden Übersetzung thematisiert Martin Erziehung und Ausbildung. Wer sich neben dieser gelungenen Kritik weiter mit dem Thema auseinandersetzen mag, dem empfehle ich die Lektüre von Ismael von Daniel Quinn, der diese Ideen intensiv betrachtet. Viel Spaß beim Lesen!
Von Natur aus versuchen Kinder – zumindest in den ersten Jahren – ihren Eltern nachzueifern. Meist hängen ihre Wertvorstellungen eng mit denen ihrer Eltern zusammen, sei es dass sie ganz ähnliche haben oder auch, dass sie diametral entgegengesetzte Ideen entwickeln, um sich von ihnen abzugrenzen.
Durch Beobachten und Nachmachen lernen Kinder wichtige Fertigkeiten für ihr eigenes Leben.
Sie lernen den Respekt vor anderen Menschen, ihren Pflichten nachzukommen, ihre täglichen Aufgaben zu erledigen, mit dem Scheckbuch zu wedeln oder auch sparsam mit Geld umzugehen. Sie lernen, Wertentscheidungen zu treffen, Geschäfte zu machen, preiswert zu essen, ein Mahl zuzubereiten und abzuwaschen. Ihre Eltern zeigen ihnen, wie man Brot backt, die Wohnung putzt und entrümpelt, Fahrrad fährt, den Garten pflegt, ein Regal aufhängt oder ein Abflussrohr repariert.
Um den gestiegenen Ausgaben nachkommen zu können, benötigen viele Haushalte heute zwei Einkommen. Die Erziehung der Kinder wird dann oft „outgesourct“ und wie sie es von ihrer Arbeit als Lohnsklave gelernt haben, betätigen sich die Eltern oft eher als Manager ihrer Kinder und deren Karriereplanung denn als Rollenvorbild. Die Kinder werden gefördert und unterstützt, um schließlich ihre Traumausbildung machen zu können.
Was ist aus den Zeiten geworden, als den ganzen Tag mit Steinen gekickt wurde oder Frösche aus dem Teich gesammelt wurden? Überhaupt, was ist mit den Fröschen passiert?
Zum Glück werden die meisten der erforderlichen Fertigkeiten, um als Konsument erfolgreich zu sein in den öffentlichen Schulen gelehrt. Es geht gar nicht so sehr um die Themen, die gelehrt werden als vielmehr um die Art und Weise des Lehrens.
Während der zwölf Jahre in der Schule lernen die „erfolgreichsten“, also die am besten angepassten Kinder, Autoritäten nicht in Frage zu stellen, keine Fragen zu stellen, die nicht direkt mit der gestellten Aufgabe zusammenhängen, es geht um die Abfolge klarer Abläufe. Sie lernen, dass es besser ist etwas zu versuchen als es zu machen, im Team zu agieren und sich nicht abseits zu stellen. Sehr wichtig ist auch, dass sie lernen, immer längere Zeit still zu sitzen, während sie mental oft unterfordert werden.
In der Freizeit geht es dann oft darum, von anderen gemocht zu werden und dazuzugehören, innerhalb eines bestimmten Rahmens dürfen sie sich als besonders und einzigartig erleben. Dies sind die Grundlagen für den späteren Erfolg im Beruf. Gäbe es diese Form des Verhaltenstrainings nicht, so könnte die (relativ begrenzte) Vermittlung von Inhalten wesentlich schneller erreicht werden. Was wäre, wenn 12jährige mit dem Wissen und der Intelligenz von Universitätsstudenten- jedoch ohne die erworbene Disziplin, ohne die Fähigkeit ruhig zu sitzen und ihre Kreativität zu unterbinden plötzlich auf den Arbeitsmarkt kämen? Wer weiß, ob sie überhaupt einer Arbeit nachgehen wollten?
Die Ausbildung der Massen steht in Zusammenhang mit der Massenfertigung von Produkten.
Unterricht besteht heute meist darin, dass ein Lehrer (Meister) 20-25 in Reihen sitzenden Schülern (Auszubildenden) etwas vorträgt (anleitet) und analog läuft es mit Managern und ihren Angestellten.
Praktisch alle behandelten Themen sind so formuliert, dass man zu nur einer möglichen Antwort kommen kann, meist mithilfe von Methoden, die das Lehrbuch vorgibt.
Die Themenstellungen werden danach ausgesucht, inwiefern sie später testbar sind, bevorzugt über standardisierte Examina mit vordefinierten Antworten.
Daher geht es bei den meisten behandelten Themen eher um mechanische als um organisch natürliche, es geht also um ein wohldefiniertes Problem, für das mit der geeigneten im Lehrbuch zu findenden Schritt-für-Schritt-Methode die Lösung gefunden werden kann. Vernachlässigt werden somit vielschichtige, nicht-lineare Probleme mit komplexen Lösungen.
Infolgedessen haben auch die Schüler gewisse Vorteile, die sich darauf konzentrieren, das Lehrbuch auswendig zu lernen, anstatt sich um ein tiefes Verständnis des Problems zu bemühen. Dies stellt ein großartiges Training für das intelligente Einhalten von Prozeduren dar, aber auch eine sehr wirksame Methode, um den kreativen Einsatz von Intelligenz zu untergraben.
Die Teststrukturen sind recht einfach gehalten. In einigen Kapiteln des Buches wird es Absätze geben nach dem Schema „Es gibt drei bekannte Beispiele für…“ und im Test wird dann etwa die Frage gestellt: „Nennen Sie drei Beispiele für…“. Dies unterscheidet sich nicht sehr von einem Job, in dem etwa drei verschiedene Burger zum Verkauf stehen und es an der Kasse drei Bilder von Burgern gibt („Drücke die richtige Taste“). Oder es gibt drei verschiedene Formulare, die entsprechend auszufüllen sind. Durch solche Formen von Ausbildung lernt man nicht viel Dauerhaftes und auch ein tieferes Verständnis eines Problems ist nicht erforderlich. Es wird also keine wirkliches Wissen ausgebildet und schon gar nicht Weisheit. In diesem Sinne entspricht es meiner Meinung nach sehr den Nachrichtenmedien. Meist werden auf diese Weise die Intelligenz und das Kurzzeitgedächtnis der Studenten getestet sowie deren Vermögen und Willen, diese Talente einzusetzen, um ihre Testergebnisse zu optimieren. Glücklicherweise wird bei vielen Bürojobs den Bewerbern nicht viel Basiswissen abverlangt. Die Abläufe für die meisten Stellen können von einer einigermaßen intelligenten Person mit einem ausreichenden Gedächtnis und der Fähigkeit, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, erlernt werden. Viele Arbeitgeber stellen nur die Leute ein, die dieses Maß an Konformität und Anstrengungsbereitschaft bewiesen haben – die einen Abschluss haben.
Hingegen werden viele andere wichtige Themen in der Schule nicht vermittelt. Wahrscheinlich ist es nicht verkehrt anzunehmen, dass jüngere Menschen, die in einer „primitiven“ Kultur aufgewachsen sind, die Welt um sie herum verstehen, wenn sie erwachsen sind. Sie kennen sich mit essbaren und mit giftigen Pflanzen aus. Sie können jagen und ihr Essen selbst zubereiten und kennen sich mit dem Ernährungswert des Essens aus. Sie sind in der Lage, sich selbst zu kleiden, ein Haus zu reparieren und sogar eines zu bauen. Sie kennen sich mit Sex aus und damit Kinder zu haben.
Auf der anderen Seite wissen Menschen der „fortgeschrittenen“ Zivilisation praktisch nichts über unsere Welt. Obwohl sie vollständig von technologischen Gütern für unsere Bedürfnisse abhängen, verstehen die wenigsten etwas davon, wie diese Dinge funktionieren, etwa elektrisches Licht, die Heizung, die Herstellung von Lebensmitteln, Telekommunikation, Transportwesen usw. Wir verstehen es nur, die Zündung zu betätigen und Knöpfe zu drücken, wodurch dann auf magische Weise die gewünschte Funktion ausgeführt wird.
Übersetzung aus earlyretirementextreme.com von Martin Wehning.