In letzter Zeit haben es mir die Hörbücher von audible angetan. Hörbücher sind eine prima Ergänzung zu Büchern bzw. E-Books: man kann einfach nicht überall gut lesen – z.B. im Stehen in der Bahn, beim Training oder beim Aufräumen. Ein weiterer Vorteil: gehörte Inhalte kann man sich leichter merken als gelesene. Das ist umso besser, wenn man plant, die Inhalte aus einem Buch auch praktisch auszuprobieren.
Ich selbst versuche mich seit einigen Jahren als nebenberuflicher Gründer und höre und lese immer wieder gerne neue hilfreiche Bücher zu dem Thema. Ich habe in den letzten Tagen „Das 4-Stunden-Startup: Wie Sie Ihre Träume verwirklichen, ohne zu kündigen “ von Felix Plötz gehört, dass ich euch hier vorstellen möchte.
Als erste fiel mir die Ähnlichkeit zum Titel „Die 4-Stunden-Woche: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben “ von Tim Ferriss auf und ich fragte mich: liefert der Titel überhaupt etwas Neues? Ich sage Nein. Tim Ferriss zeigt, wie man seinen Job in „4 Stunden“ erledigen kann, um mehr Zeit für anderen Dinge zu haben. Felix Plötz hingegen zeigt, wie man neben dem Beruf in „4 Stunden“ ein eigenes Projekt betreiben kann. Allerdings bezweifle ich, dass die Namenswahl zufällig war und sicher geholfen hat, an den Erfolg von Tim Ferriss Buch anzuknüpfen.
Der Autor beginnt mit einigen Beispielen, darunter seine eigene Geschichte: Er machte sich in Teilzeit mit Spritspartrainings selbstständig. Dass es nicht allein um Profit gehen muss, zeigt z.B. Kinderlachen, ein Projekt, das 2.000 mit einer 1.000-Euro-Spende für Weihnachtsgeschenke für Kinder begann und mittlerweile zu einer anerkannten Kinderhilfsorganisation gewachsen ist. Die Beispiele zeigen, dass es ist möglich die „Eigentlich müsste man mal…“-Phase zu überwinden und zu starten. Und, der anschließende Weg in die Vollzeitselbstständigkeit ist zwar möglich, aber optional.
Wie kommt nun von der vagen Ideen zur Geschäftsideen und ins praktische Tun? Dafür stellt uns Plötz das Startup-Thinking-Ansatz vor.
Der Startup-Thinking-Ansatz: vom Wollen zum echten Machen
Wo sich deine Talente mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, da ist deine Berufung.
– Aristoteles.
Startup Thinking liefert eine strukturierte Herangehensweise für die Entwicklung eines eigenen unternehmerischen Projekts. Es hilft herauszufinden, ob sich genügend Menschen dein Produkt oder deine Dienstleistung begeistern können. Das Modell erinnert mich an eine vereinfachte Version des Customer Development Process aus dem Handbuch für Startups von Steve Blank und Bob Dorf.
Auf dem Weg zum eigenen 4-Stunden-Startup gilt es drei Hürden zu überwinden.
- Finde ein Thema, das dich begeistert und fang an.
- Beziehe die Umwelt, also potentielle Kunden, so früh wie möglich mit ein.
- Prüfe, ob deine Idee genügend andere Menschen begeistert.
Wenn du nicht anfängst, wird niemals etwas entstehen. Plötz erklärt, wie wichtig es ist, in der Schnittmenge aus eigenem Interesse und den Bedürfnissen anderer nach einer Idee zu suchen und zu starten. Interessiert deine Idee nur dich, bleibt sie ein Hobby. Wenn deine Idee andere, aber nicht dich interessiert, begibst du dich in ein fremdbestimmtes Leben, was kaum zu nachhaltigem Erfolg führen dürfte. Wenn du deine Umwelt sehr spät oder nie mit einbeziehst, wirst du nicht erfahren, ob das, was du tust, jemanden interessiert und gehst das Risiko ein, Schiffbruch zu erleiden. Er veranschaulicht das am Beispiel der Grafikagentur, bei der er seine erste Homepage in Auftrag gegeben hatte: statt ein paar grobe Entwürfe anzufertigen und ihn bald zu fragen, ob sie ihm grundsätzlich gefielen, wollte der Grafiker alles perfekt machen – was letztlich dazu führte, dass er nie einen Entwurf zu Gesicht bekam. Man erfährt zwar nicht, was mit der Grafikagentur passiert ist, aber sofern sie ihre Methodik nicht verändert hat, ist es sehr gut möglich, dass sie nicht mehr am Markt ist. Es wird jedenfalls klar: solange du deine Ideen niemandem zeigst, wirst du nie erfahren, wie groß das Interesse daran ist.
Zur Überwindung der Hürden hilft das Startup-Thinking-Modell, das wie eine Zwiebel aufgebaut ist:
Der Kern ist das Problem. Frage: Was ist das Problem und wer hat es?
Die 1. Schale ist die Lösung. Frage: Wie sieht eine gute Lösung aus?
Die 2. Schale bildet das tragfähige Konzept: Einnahmen, Ausgaben und Weg zum Kunden. Fragen: Wie erreiche ich Kunden? Wie viel muss ich ausgeben, um die Lösung zu realisieren und zu meinen Kunden zu bringen? Und: wie viel kann ich für diese Lösung verlangen?
Zum Kern und zu jeder Schale gehört jeweils ein Realitätscheck, der jeweils so früh wie möglich ausgeführt werden sollte. Mit dem Realitätscheck vermeidet man zu viel Zeit und Geld für die Entwicklung von Lösungen zu verlieren, die das Problem nicht lösen. Mir hat an dieser Stelle die Betonung der Wiederholung, oft Iteration genannt, gefehlt. Selten erreicht man im ersten Schritt schon die ideale Lösung. Man kann sich ihr aber Schritt für Schritt nähern. Nach jeder Wiederholung kann man vom potentiellen Kunden Feedback einholen und damit in der nächsten Wiederholung den bisherigen Entwurf verbessern und dann wieder den Kunden befragen. So hat man die beste Chance, eine Idee entweder früh zu verwerfen oder auf eine gute Lösung zu kommen.
Das Problem ist der Kern. Der Kern ist das Problem.
Plötz legt dar, wie wichtig es ist, es zu verstehen, dass der Kern einer Idee ein Problem ist. Daher ist die erste relevante Frage bei einer Geschäftsidee auch nicht: „Gibt es das nicht schon?“. Denn diese Frage lenkt von der Grundfrage „Was ist das Problem?“ ab und führt ggf. zu aufwändigen Lösungen, die keiner haben will. Ich will das an einem Beispiel erläutern, das nicht aus dem Buch stammt, um nicht zu viel daraus zu verraten: Webvan war ein Startup, das 1996 gegründet wurde und dessen Ziel der Vertrieb von Lebensmitteln über das Internet war. Ohne zu prüfen, wie potentielle Kunden auf das Angebot reagieren, wurden mehr als 800 Millionen Dollar in den Aufbau einer Logistik-Infrastruktur investiert. Als sich dann herausstellte, dass es keinen ausreichend großen Markt für das Angebot gab, ging Webvan 2001 pleite und gilt heute als größter Dot-Com-Flop der Geschichte. Möglicherweise hat sich der Markt mittlerweile gewandelt, denn Amazon geht aktuell mit derselben Idee erneut an den Start. Plötz hat weitere Beispiele im Angebot, die veranschaulichen, wie gefährlich es sein kann, auf einen frühen und gründlichen Realitätscheck zu verzichten.
Die erste Frage sollte also nicht lauten „Gibt es das schon?“, sondern: „Was ist das Problem und wie wird es augenblicklich gelöst?“. Denn gibt es bisher gar keine Lösung für eine Sache, so sind die Chancen hoch, dass es da eigentlich gar kein Problem oder dass dessen Potenzial überschätzt wird und daher auch keine (neue) Lösung benötigt wird.
Das geschäftliche Potenzial entsteht im Schnittpunkt von Grundproblem und den Problemen mit der aktuellen Lösung. Hat man ein Problem identifiziert, dessen aktuelle Lösung vielen Menschen regelmäßig auf die Nerven geht, und bietet die eigene Lösung substanzielle Vorteile gegenüber der bisherigen, so ist man auf dem richtigen Weg.
Einfachheit ist der Schlüssel.
Insbesondere am Anfang. Ich will das an einem weiteren Beispiel veranschaulichen, das ebenfalls nicht aus Plötz‘ Buch stammt: Nick Swinmurn, Gründer von Zappos, ein Online-Schuhhändler, wusste ursprünglich nicht, ob sich Schuhe über das Internet verkaufen würden. Das Kundenproblem ist: „Ich brauche Schuhe“. Die aktuell verfügbare Lösung war: „Ich gehe ins Schuhgeschäft, probiere dort unter der Aufsicht des Schuhverkäufers zig Paare an und nehme dann eins mit, das mir gefällt“. Swinmurn musste also herausfinden: löst „Schuhe im Internet bestellen“ ein Problem mit der bisherigen Lösung? Rückblickend gibt ihm der Erfolg recht. Meiner Meinung nach gibt es mehrere Probleme mit Schuhgeschäften: es gibt nur eine beschränkte Auswahl, es kostet Zeit und es erfordert z.T. anstrengende Interaktion mit Verkäufern. Vermutlich gibt es noch mehr Gründe. Was hat Swinmurn nun getan, um zu prüfen, dass seine Lösung ankommt?
Statt mit viel Geld eine Logistik und ein Lagers mit diversen Schuhen in allen möglichen Größen aufzubauen. Stattdessen baute er ein sogenanntes minimal funktionsfähiges Produkt (Englisch: minimal viable product oder MVP): er setzte eine simple Webseite auf, fotografierte die Schuhe in Läden seiner Gegend und bot diese online zum Verkauf an. Immer wenn ein Schuh bestellt wurde, kaufte er das Paar bei einem der lokalen Händler und verschickte es dann an seinen Internetkunden. Klar, zu Anfang verdiente er an den verkauften Schuhen nicht viel, aber er ging fast kein Risiko ein. Und er konnte seine Kernthese: „Schuhe verkaufen sich über das Internet“ so testen. Erst als klar wurde, dass seine Ideen funktionieren würde, investierte er in eigene Schuhe.
Gut gefallen hat mir auch Plötz‘ Argument, warum Geld in der Regel kein Problem beim Entwickeln eines eigenen Startups ist: denn sobald man eine aussichtsreiche Idee hat, bietet man auch Investoren eine Lösung für ein Problem, dass ihnen Schmerzen bereitet – nämlich eine Möglichkeit, ihr Geld aussichtsreich anzulegen.
Toolbox und erste Schritte im eigenen Projekt
Im Teil „Toolbox“ stellt der Autor Werkzeuge und Dienstleister vor, die den Projektstart erleichtern. Darunter ist Software für den Aufbau und die Gestaltung einer eigenen Homepage, Werkzeuge für das Schalten von Werbung, Dienstleister für die Unterstützung bei Routineaufgaben sowie Marktplätze für den Einkauf und den Vertrieb. Gerade in der Hörversion ist dieser und auch der letzten Teil des Buches über die „Formalitäten“ von Gründungen, recht langatmig. Zur Auflockerung wären in diesen Teilen mehr Geschichten gut gewesen. Die Teile kommen mir zu sehr wie Aufzählungsliste daher. In „Toolbox“ fehlen mir sinnvolle Verknüpfungen – also Ideen dafür, wie man die Werkzeuge kombinieren könnte. Das Kapitel bietet Anregungen, aber keine Anleitung. An der Stelle gefällt mir Faltins Buch „Kopf schlägt Kapital “ und das in ihm vorgestellte Modell für die Gründung mit Komponenten besser. Es zeigt, wie man Werkzeuge sinnvoll kombinieren kann. Man ist nach dem Teil „Toolbox“ informiert, aber auch erschöpft. Leider gibt es im letzten Teil keine Entspannung – im Gegenteil. Es geht um die zwar notwendigen ab sehr trockenen Themen der Rechtsform, der Gewerbeanmeldung, der Steuer sowie weiterer Rahmenbedingungen. So rechte Freude hat man beim Hören nicht, was aber zugegeben nicht nur am Autor als auch an der Materie selbst liegt. Eine Abschlussgeschichte sowie ein Ausblick darauf, wie es mit den Werkzeugen und den Formalitäten weitergehen kann, wäre schön gewesen.
Fazit
Alles in allem wird das 4-Stunden-Startup seiner Mission, zu allen relevanten Schritten auf dem Weg von der Idee zur ersten Umsetzung etwas zu sagen, gerecht. Mir gefällt insbesondere, dass Plötz viele häufig genannte Einwände entkräftet. Dies sind z.B. „Man muss zum Unternehmer geboren sein.“ oder „Man muss ganz oder gar nicht gründen“, „Man braucht (sehr) viel Geld, um zu gründen.“ Oder „Man muss ständig auf der Hut sein, dass niemand einem die eigene Idee klaut.“. Mir gefallen auch die Erläuterungen des Startup-Thinking. Das von Plötz dargestellte Modell ist einfacher als der Customer Development Process und daher für den Anfang geeigneter. Eine gute Ergänzung wäre hier eine Checkliste, die bei der Umsetzung zur Hand genommen werden kann. Mich hat das Buch inspiriert und überzeugt, dass eine erfolgreiche Gründung neben dem Beruf nicht nur möglich, sondern aus vielen Gründen auch ratsam ist. Insbesondere glaube ich, dass diese Idee vielen Noch-nicht-Gründern eine zentrale Angst nimmt und damit den Unternehmergeist stärken kann: dass man nicht ganz-oder-gar-nicht-selbstständig sein muss, sondern sehr gut sowohl arbeiten als auch gründen kann.
Dazu passend …
Ich finde, dass sich zusätzlich zum 4-Stunden-Startup gut Faltins Buch „Kopf schlägt Kapital “ hören lässt. Wer noch einen Schritt weitergehen will, greift zusätzlich zum Handbuch für Startups von Steve Blank und Bob Dorf. Es widmet sich mit vielen Checklisten der praktischen Gründung. Das Buch gibt es jedoch nur als Buch bzw. E-Book.
1 Kommentar
Günter Faltin bietet mit seinem Komponentenportal mittlerweile auch einen Baukasten für die Umsetzung von Geschäftsmodellen mit Komponenten