Permakultur vereinigt eine Reihe von Ideen, die z.T. aus der Systemtheorie stammen. Sie werden angewandt, um integrierte Systeme zu gestalten: laut Permakultur können Gärten, Haushalte, Geschäfte oder auch Nachbarschaften so gestaltet werden, dass sie dauerhaft stabil und optimal funktionieren.
Was ich über Permakultur denke
Wie ich schon in meinem ersten Artikel zu Permakultur beschrieben habe, halte ich Permakultur für eine Sammellehre, d.h. sie hat keinen eigenständigen wissenschaftlichen Kern. Die Chemie hat so einen Kern: Chemiker charakterisieren Stoffe, analysieren ihren Aufbau, bestimmen ihre Eigenschaften und erforschen ihre Umwandlungen zu anderen Stoffen im Wege sog. chemischer Reaktionen, die Vorgänge der Elektronenhüllen der beteiligten Atome betreffen. Man kann behaupten, dass sich die Chemie im Kern aus der Physik ableitet, allerdings lassen sich ohne den expliziten Betrieb chemischer Forschung viele (nicht-triviale) Erkenntnisse nicht allein aus physikalischen Überlegungen gewinnen. Dasselbe gilt für die Permakultur nicht. Sie ist interessant, aber die aus ihr entstehenden Erkenntnisse ließen sich prinzipiell auch aus anderen Quellen gewinnen. Das hört sich viel weniger schlimm an, als es gemeint ist. Ich will der Permakultur aber den Nimbus nehmen sie sei etwas vollkommen einzigartiges, das niemanden offen steht, der nicht (Achtung: Klischee-Alarm) gärtnert, lange Haare trägt oder sonst wie „typisch öko“ ist. Im Gegenteil ihre einzelnen Ideen stehen jedem offen, auch wenn sie/er sich nur für das Regenwassersammeln, Komposttoiletten oder mehrjährige Gemüsepflanzen interessiert und sonst keinen weiteren Aspekt. Das sieht bei z.B. Chemie anders aus: du machst einfach keine Chemie, wenn du keine spezifischen Stoffe unter kontrollierten Bedingungen miteinander reagieren lässt bzw. du machst auch dann Chemie, wenn du Stoffe reagieren lässt ohne es zu wissen: z.B. wenn du kochst.
Permakultur ist eine Sammlung interessanter, mehr oder weniger zusammenhängender Ideen. Das Grundgerüst bildet die Systemtheorie, derer sich die Permakultur bedient mit u.a. mit dem Ziel eines effizienteren Ressourcenumgangs. Es geht also darum leblose Elemente, Pflanzen, Tiere und Menschen in eine geeignete und produktive Beziehungen zu bringen und Kreisläufe soweit möglich zu schließen. Genauso wie es Permakultur nicht als selbstständige Disziplin gibt, glaube ich auch nicht, dass sich ein Permakultur-Garten stark von einem beliebigen anderen gut gestalteten Garten unterscheidet. Ich denke sogar, dass das Wort „Permakultur-Garten“ eigentlich falsch ist. Es geht eher darum bei einem Projekt interessante und passende Ideen zu kombinieren und dabei kann Permakultur helfen, es sind aber auch ganz andere Quellen für diese Ideen denkbar. Warum reite ich so sehr darauf herum? Weil eine Sammellehre wie die Permakultur leichter als ein streng formale Wissenschaft Gefahr läuft zum Sammelpunkt nicht nur für gute, sondern auch weniger gute und z.T. auch absurde Ideen zu werden.
Was mir an der Permakultur -Community missfällt.
Ich finde Permakultur interessant, habe mich viel damit beschäftigt und sie hat mich geprägt, gerade weil mir sie mir einen Weg zu vielen interessanten Ideen geebnet hat. Gleichzeitig musste ich aber feststellen, dass in Permakultur-Kursen oft leider auch eine Menge vermeintlicher wissenschaftlicher „Erkenntnisse“ vermittelt werden, die bei näherer Betrachtung keine sind beziehungsweise, dass Verfahrensweisen als klar vorteilhaft dargestellt werden für die das nicht erwiesen ist. Ein prominentes Beispiel für die erste Kategorie ist das sogenannte companion planting (im dt. Gilden). Die zugehörigen Pflanzschemata sind leider nur selten wissenschaftlich gedeckt. D. h. nicht, dass es nicht etwa Pflanzen-Pflanzen-Interaktionen, die nützlich sind – wie etwa die zwischen Rose und Wein aus dem vorletzten Artikel oder – viel allgemeiner und einfacherer die Kombination von Nutzpflanze und geeignetem Stickstoff-Fixier, die ich oft einsetze. Erforscht werden diese Interaktionen im Rahmen der Allelopathie, einem Teilgebiet der chemischen Ökologie. Kategorie zwei betreffen z.B. die sog. essbaren Wälder. Mollison selbst hat nie behauptet, dass diese in den kalten gemäßigten Zonen wirklich funktionieren würden. Klar, man kann verschiedene Mehrjährige zusammenpflanzen, aber insbesondere, die Behauptung, dass die resultierenden Systeme niedrigen Input und hohen Output (höher als vergleichbare konventionelle Anbaumethoden) ist unerwiesen. Das, was einem produktiven essbaren Wald am nächsten kommt, was ich bisher gesehen habe ist Martin Crawfords Forest Garden in England. Ohne die öko-romantische Brille auf der Nase erkenne ich jedoch nicht wie Crawford seine Ertragsbehauptung stützt. Eine sehr ausführliche und nachvollziehbare Kritik hat Graham Strouts auf seinem neuen Blog theculturalwilderness geschrieben. Gleichwohl mir die Ideen des essbaren Waldes immer sehr gefallen hat, bin ich seit längerem skeptisch, dass diese außerhalb der Tropen wirklich produktiv möglich sind und Vorteile gegenüber dem Pflanzen in Reihen bieten. Ein kleiner Schmankerl: ein Freund von mir aus Australien, der mit einem, der Mitgründer, David Holmgren, gut befreundet ist, hat gesehen, dass auch dieser seine Pflanzen in Reihe pflanzt. Ich sehe auch überhaupt kein Problem damit. Problem ist nur, wenn Dinge behauptet werden, die nicht stimmen: also die der Möglichkeit hochproduktiver essbarer Wälder in gemäßigten Breiten. Klar, hier gibt es die Möglichkeit der Agroforstwirtschaft, aber low-input, high-yield Waldgärten in gemäßigten Breiten scheinen ein Traum zu bleiben. Wer über belastbare Daten verfügen, die etwas anderen suggerieren, bitte her damit. Weitere Permakulturkritik findet sich in einem älteren Artikel von G. Strouts: The Cult of Perma.
Auch wenn sich meine Worte in mancher Leute Ohren arg ausnehmen dürften: Ich halte viele Ideen nach wie vor für wertvoll und vermittle sie auch noch in Kursen und bin auch bereit zu begründen, was, warum meiner Meinung funktioniert und was nicht. Es hilft nur einfach auch niemanden beliebige Inhalte kritiklos anzunehmen.
Permakultur und das genughaben-Lebensstilkonzept für mehr finanzieller Unabhängigkeit
Meiner Meinung nach ist gerade der größte Nachteil der Permakultur gleichzeitig ihr größter Vorteil: sie kombiniert viele nicht-notwendigerweise auf den ersten Blick zusammenpassende Ideen, was in unserer spezialisierten (man könnte auch sagen: vorurteilsbehafteten) Welt viel zu wenig getan wird. Frei nach dem Permakultur-Prinzip: „Integrieren statt separieren“ kombiniere ich mit genughaben zwei Ideen, die allgemein wohl als relativ wenig zusammenpassend empfunden werden:
- Ich leben minimalistisch und verbrauche nur so wenig Ressourcen wie nötig und produziere so wenig Müll wie möglich (*) – ein Verhaltensmuster, dass sich am ehesten bei Mitgliedern des ökologischen Milieus findet.
- Zum anderen investiere ich aber meine finanziellen Überschüsse zu einem immer größer werdenden Anteil auch in Aktien-, Anleihen, REIT-Anteil usw. – einem Verhaltensmuster, dass sich fürgewöhnlich bei konservativen und „bösen“ Kapitalisten findet.
(*) Beide Empfehlungen existieren auch in der Formulierung eines Permakultur-Prinzips.
Sind die Menschen oder die Schubladen das Problem?
Man könnte jetzt – wie es leider viel zu oft die Regel ist – seine Kritik an Firmen, Produktionsweise etc. dadurch äußern, dass man sich darüber in Foren oder Blogs etc. – zum Beispiel hier – erregt. Man könnte aber auch alternativ so wenig wie möglich am kritisierten Konsum teilnehmen, seine eigenen Fähigkeiten schulen und durch Investition zunehmend Besitzerschaft an Firmen und damit Einfluss erwerben. Ich gebe zu: allein ändert man wenig, aber wenn es wie in Deutschland üblich nur wenige Minimalisten sondern viele gäbe und nicht wenige Aktionäre, sondern viele gäbe, so könnte sich vieles an Politik von Unternehmen ändern. Statt also immer dem eigenen Eskapismus Vorschub zu leisen, könnte man auch einfach langsam und stetig mehr und mehr teilnehmen – ganz konform mit dem Permakultur-Prinzip „Nutze kleine und langsame Lösungen“. So lautet zumindest meine Meinung. Ich verbrauche tatsächlich so wenig, dass ich praktisch von dem lebe, was manche Personen für ihre Hypothek jährlich an Zinsen zahlen: man könnte sich daher im übertragenen Sinne vorstellen: ich leihe ihnen das Geld. Ich sehe ein, wenn das alle so machten, würde mein Lebensstil nicht mehr funktionieren, etwas vor dem der gewöhnliche Ökonom Angst haben könnte: ich hingegen lasse Feedback und Selbstregulation zu (ein weiteres Permakultur-Prinzip): gut möglich dass sich die Welt bei geringerem Konsum und breiter verteiltem Besitz gleichzeitig so verändern würde, dass allgemein viel weniger verbraucht werden würde und aus Firmen bestünde, die Produkte bauen, die nicht Monate sondern Jahrzehnte oder Jahrhunderte halten. Unser Zusammenleben würde sich ändern und wir hätten vermutlich mehr Zeit für menschliches Miteinander oder große visionäre Ideen. Wenn meine Lebensweise und mein Vorbild dazu beitragen könnten sollten, dann gerne!