Am Anfang meines Studiums hatte ich ein eigenes Zimmer – war aber auch sehr häufig bei meiner damaligen Freundin. Oft war es schwer zu planen, wann ich genau zu meiner Freundin fahren würde und wann nicht. Manchmal wurde es z.B. im Labor zu spät und dann fuhr ich lieber Heim.
So trug ich auf meinem Fahrrad immer alle Sachen mit mir, von denen ich dachte, dass ich sie benötigen würde. Zu Anfang war das lästig, da ich schlicht zuviel mit mir herumtrug. Ich hatte ständig viele überflüssige Sachen bei mir – vor allem Bücher, die das Schwerste waren.
Ich hielt mir ständig viel zu viele – unsinnig viele – Lektüreoptionen offen. Wie lästig dies war, wurde mir gerade darum klar, weil ich Fahrrad fuhr: es war also klar, dass das weniger werden musste, damit ich mir nicht meinen Rücken ruinieren würde.
Und so geschah es dann schließlich. Nach einigen Monaten hatte ich herausgefunden, was mir wirklich wichtig war. Vor allem machte ich mir klar, dass ich eh nicht mehr als ein Buch gleichzeitig lesen könnte(*). Das Problem, dass ich gelegentlich weitere Nachschlagewerke benötigte löste ich dadurch, dass ich nachzuschlagende Begriffe für eine spätere Recherche aufschrieb – Internet hatten wir zuhause noch nicht. Heute wäre selbst das nicht mehr nötig, da heute ja fast alles bequem im Internet nachgesehen werden kann.
(*) Tatsächlich zeigte meine Erfahrung, dass ich die Abende bei meiner Freundin eher gerne mit ihr und nicht vor einem Buch verbrachte, weswegen ich später sogar häufiger gar kein Buch mehr mit mir trug.
Ich hatte in dieser Zeit erfahren, dass die wesentlichen Dinge, die ich benötigte in einen Rucksack passten – Fahrradtaschen hatte ich damals noch keine. Diese Erkenntnis hatte etwas sehr befreiendes an sich:
(1) Da ich immer alle wirklich nötigen Dinge bei mir hatte, war ich frei in der Gestaltung meiner Abende – ich konnte im Prinzip übernachten, bei wem ich wollte – ohne zu fürchten etwas vermissen zu müssen.
(2) Da ich lernte, dass ich nur wenig benötigte, war es einfach alle meine Sachen schnell zu finden und ich hatte keine große Mühe diese in Ordnung zu halten (*)
(3) Ich lernte, dass sich Entscheidungen oder viele Optionen allzu offen zu halten keine Freiheit, sondern eine Belastung ist – eine große Menge an Optionen macht die tatsächliche Entscheidung nicht nur schwieriger, sondern die einzelnen Auswahlmöglichkeiten auch weniger gut unterscheidbar und weniger gut bewertbar.
(4) Sich viele Optionen offen zu lassen kostet Ressourcen (in diesem Fall meine Kraft, bei deren Überforderung ich Rückenschmerzen bekam)
(*) Tatsächlich war die Ordnung nur mäßig – ich glaube persönlich, dass Ordnung nur nötig ist, wenn man versucht über sehr viele Gegenstände die Übersicht zu behalten. Ist die Anzahl der Gegenstände so groß, dass man wesentlich länger als ein paar Stunden benötigt, um diese aufzuräumen ist das für mich ein gutes Anzeichen, dafür wahrscheinlich mehr als nötig zu besitzen.
Ich will nicht sagen, dass man unbedingt mit einem Fahrrad zwischen Stationen wechseln muss, um herauszufinden, was man tatsächlich braucht – auch wenn das in meinem Fall ein guter Weg war – ohne, dass ich diese Erkenntnis habe damit erreichen wollen. Ich glaube aber, dass man sich und seinen begrenzten (Zeit-)Ressourcen etwas Gutes tut, wenn man versucht herauszufinden, wann man genug hat. Es bleibt so mehr Zeit für das Wesentliche – etwa das Miteinander mit Menschen, die man mag.