Gelingende Kommunikation zwischen Individuen ist das Rückgrat einer funktionierenden Gesellschaft. Sie ist die Basis für wohlwollende Beziehungen: Beziehungen, die man etwa auf dem Weg zu mehr finanzieller Unabhängigkeit auch durch gemeinsames Agieren – etwa durch gemeinsame Anschaffungen, gemeinsamen Konsum oder durch das Teilen von Gebrauchsgegenständen erreichen kann. Über den funktionellen Aspekt hinaus erfüllen uns gelungene Beziehungen, während destruktive Emotionen uns so weit in Mitleidenschaft ziehen können, dass trotzdem wir vielleicht in allen anderen Aspekten des Lebens erfolgreich sind, wir uns dennoch einsam und unglücklich fühlen. Es ist ein Gemeinplatz, dass Kommunikation im Alltag nicht immer gelingt und das ist auch nicht immer gleich ein Drama. Für gute Beziehungen macht es aber Sinn zu verstehen, woran es liegt, wenn es häufig zu Missstimmung im Allgemeinen oder wiederholt zu Missstimmungen im besonderen kommt: etwa, wenn eine bestimmte Situation immer wieder zu einem Streit führt. Hierzu gibt es verschiedene Methoden – eine ist die gewaltfreie Kommunikation.
Als ich die Bezeichnung „Gewaltfreie Kommunikation“ (GfK) das erste mal gehört habe, war ich recht skeptisch. Seit einigen Jahren interessiere ich mich für die Konzepten der Transaktionsanalyse, die Klientenzentrierte Interaktion oder dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun. Diese Konzepte selbst erschienen mir bereits für die Praxis vereinfachte Anlehnungen an psychotherapeutische Konzepte zu sein.
Nicht, dass man mit all den benannten Konzepten nicht letztlich auch das friedvolle menschliche Miteinander im Sinn hat, aber trotzdem erschien mir die GfK zunächst als weichgespült und esoterisch. Aber ich sollte mich irren.
Ich bekam eine Audioversion des Buches Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens des Begründers Marshall B. Rosenberg geschenkt und der Groschen fiel bereits, als Rosenberg erklärte, dass der Zusatz „gewaltfreie“ im Sinne Mohandas Karamchand Ghandis Konzept der Gewaltlosigkeit (ahisma) zu verstehen ist. Rosenberg erläuterte, dass die GfK im Grunde besser als empathische Kommunikation bezeichnet werden solle. Später lernte ich noch, dass die GfK in der Tat auf der klientenzentrierten Psychotherapie C. Rogers aufbaut, dessen Methoden auch de (Rosenberg war Schüler von Rogers), sie diese aber eben um Ideen Ghandis erweitert. Das ist insbesondere bedeutsam, da – obgleich viele Friedensnobelpreisträger sich auf Gandhi beziehen – Ghandis Strategien zur Konfliktlösung ganz im Gegensatz zu den konfrontativen Konflikttheorien (z.B. die Schellings) kaum Beachtung im Diskurs der Konfliktforschung finden.
Ghandis Konfliktverständnis
Ghandi versteht Konflikte mehr als das Ergebnis des gegenseitigen Missverstehens der gegenseitigen Bedürfnisse und weniger als eine tatsächliche unverrückbare Differenz zweier Parteien. So meint dann auch Rosenberg, dass es viel mehr darum gehen könnte, die eigenen wie die fremden Bedürfnisse zu erkennen, die bestimmte Gefühlen auslösen, die dann z.B. zu Angriff oder Rückzug in der Kommunikation führen könnten, um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. sie erfolgreich – d.h. im Sinne aller Beteiligter – zu lösen.
Lebensentfremdende vs. empathische Kommunikation
Ein zentrale Rolle in der GfK spielt die Empathie (=Mitgefühl). Rosenberg geht davon aus, dass die Form, in der wir miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob wir Empathie für unseren Gesprächspartner entwickeln oder nicht und dass davon abhängt, wie erfolgreich wir im Gespräch aufeinander eingehen können und somit unser aller Leben gegenseitig bereichern – oder eben nicht.
Rosenberg unterscheidet hierbei zwei Formen der Kommunikation:
- die lebensentfremdende Kommunikation („Wolfskommunikation“ n. Rosenberg)
- die empathische Kommunikation („Giraffenkommunikation“ n. Rosenberg)
Lebensentfremdete Kommunikation erwächst (1) aus der Bewertung bzw. Verurteilung des Gegenübers, (2) der Verleugnung der eigenen Verantwortung für eigene Gefühle und Bedürfnisse sowie (3) dem Aussprechen von Forderungen anstelle von Bitten.
In nächsten Artikel zum Thema GfK schauen wir uns anhand eines Modells an, wie man das in der Praxis anwenden kann.