Ich will in diesem Artikel – sehr grob und vereinfacht – beschreiben, wie meiner Meinung nach alle demokratischen Gesellschaften funktionieren.
In einer Demokratie gibt es ganz grob 3 Gruppen: die Besitzer, die Gebildeten und die Armen.
Die Besitzer reproduzieren sich durch Erbschaft und Netzwerke, die Gebildeten durch gute Schul- und Hochschulabschlüsse und die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt und die Armen, weil sie weder Zugang zu Netzwerken noch zu Bildung haben oder haben wollen. Es gibt zwar Mobilität zwischen den Gruppen, aber die Verteilung bleibt ungefähr erhalten.
Die Besitzer besitzen die Unternehmen und treffen Entscheidungen. Die Gebildeten entwickeln, arbeiten und produzieren und die Armen tun das, was keine der anderen Gruppen machen möchte. Ein Teil der Armen kommt wegen staatlicher Geldtransfers gerade so über die Runden.
Ich will hier für keine der Gruppen Partei ergreifen, noch geht es mir darum, eine der Gruppen zu stigmatisieren. Es ist mir außerdem klar, dass ich hier ein starke Vereinfachung vornehme. Es geht mir um eine grobe funktionelle Beschreibung.
In einer Demokratie wird gewählt, aber die wesentliche funktionelle Struktur der Gesellschaft bleibt unverändert:
Die Funktion der Besitzenden ist es, Entscheidungen zu treffen. Rein rechnerisch zahlen sie zudem den Löwenanteil des Steueraufkommens, profitieren durch ihren Besitz und/oder ihre Position in Unternehmen am meisten am Mehrwert der Arbeit der beiden andere Gruppen, die in den Forschungsabteilungen und Fabrikhallen von Firmen erzeugt werden.
Die Funktion der Gebildeten ist es Arbeit zu leisten, mit der Produktivitätsgewinne realisiert werden. Sie erhalten dafür: etwas mehr Geld als die Armen und etwas weniger Arbeit als die Besitzenden – und etwas mehr Jobsicherheit – wobei sich diese zunehmend verflüchtigt.
Die Funktion der Armen ist ihre Arbeit, insbesondere die Arbeit, die die anderen beiden Gruppen nicht tun wollen würden. Die Armen erhalten weniger Einkommen, müssen aber auch weniger Steuern zahlen und erhalten dennoch Zugang zur Infrastruktur und erhalten Sozialhilfe im Notfall.
Diese Beschreibung soll keine Wertung sein: wir könnten weder ohne den Kopf noch ohne unsere Herz noch ohne unsere Leber auskommen: eine künstliche Höherbewertung des einen Organs oder der reinen Gruppe ist eine Illusion. Die Gesellschaft wiederum könnte ohne die Leistungen der jeweils anderen könnten nicht bestehen, die Gebildeten könnten sich nicht führen, die Besitzer könnten nicht alles produzieren und beide wären ohne die Armen nicht in der Lage die Arbeiten geschehen zu lassen, die beide nicht tun wollen.
Ich denke, dass diese Grundstruktur das Fundament aller Demokratien bildet. Natürlich gibt es viele ideologische Schattierungen und Konflikte, die vordergründig zwischen den Parteien ausgefochten werden, um den Wähler zu überzeugen, nächstes mal bei ihnen das Kreuz zu setzen, die Grundstruktur wird davon jedoch nicht berührt.
Ob das ganze jetzt gut oder schlecht ist, steht auf einem anderen Blatt.
Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: Die Demokratie ist das beste der schlechten Systeme.
Was bedeutet das nun? Ich denke, man kann sich fragen wo man in diesem System mit dieser Rollenverteilung stehen will – oder ob man sich davon unabhängiger machen möchte. Ich denke, dass die Gruppen letztlich durch die Annahme, das die Bedürfniserfüllung über Konsumprodukte erfolgen muss aneinander gebunden sind – und je weniger man selbst an der Konsumgesellschaft hängt, umso weniger muss man sich – zumindest für einen großer Teil – des Traras interessieren.
1 Kommentar
Ich reibe mich am ehesten am Begriff des „Armen“. Wer ist arm?
Der Mönch, der sich freiwillig zu materieller Armut verpflichtet, die alleinerziehende HartzIV- Empfängerin, die sich für ihre Kinder krummlegt und doch nicht wirklich über die Runden kommt?
Nach meiner Erfahrung hat Armut fast nichts mit materiellem Besitz zu tun, schon eher mit kulturellem Kapital, Grundhaltungen und erlernten Fertigkeiten: Ich behaupte, dass viele Menschen in Deutschland mit Hartz IV gut über die Runden kommen können, wenn
– sie gelernt haben, mit einem Budget zu haushalten, mit Geld vernünftig umzugehen
– sie bestimmte Fertigkeiten erlernt hat (selbst kochen, reparieren, gärtnern, renovieren)
– sie das Selbstwertgefühl haben, nicht nach „oben“ zu schielen, sondern sich eine gewisse Bescheidenheit erhalten können
– sie sich von gehirnzerfressender Werbung frei machen.
Ich fände es schön, wenn mehr Leute selbstbestimmt ein Leben führen würden, wie es für unsere Großeltern völlig selbstverständlich war. Neben anderen Effekten würde uns die Umwelt dieses auch danken!