Ein Anlass für dieses Posting ist die gestrige Entdeckung eines erdähnlichen Planeten, der um eine der Sonnen unseres nahesten Nachbarsternensytems (Centauri) kreist. Der Planet kreist um den unserer Sonne ähnlichen Stern Alpha Centauri B. Centauri B ist Teil eines Dreifachsternsystems und liegt 4,3 Lichtjahre (4,3 * 24 * 365 * 1,08 Mrd. km) von unserem Sonnensystem entfernt.
Ich gehöre zur Generation Star Trek. In meiner Jugend hatte ich keinen Zweifel daran, dass die Menschheit irgendwann das Weltall erforschen würde. Eine Sorge war für mich damals, ob ich es selbst erleben würde. Zefram Cochrane der legendäre Erfinder des Warp-Antriebs in der Serie Star Trek führt seinen ersten Überlicht-Testflug erst im Jahr 2063 durch und die interstellare Raumfahrt beginnt laut Serie erst mit Captain Archer (2151) richtig interessant zu werden.
Im Studium zunächst einmal ernüchtert durch die Erkenntnis, dass “konventionelle” überlichtschnelle Reisegeschwindigkeiten aufgrund der Relativitätstheorie Einsteins unmöglich sind, war ich überrascht in den späten 1990er Jahren von den Ideen Alcubierre und Van den Broeck zu lesen, die sich ein Modell für einen Warp-Antrieb überlegt hatten. Ein Nachteil des frühen Modells war der große Bedarf an Energie (mehre Sonnenmassen) und an exotischer Materie, die bislang nicht bekannt ist. Im Jahr 2012 konnte anhand eines verbesserten Modells zumindest die notwendige Menge Energie und das Ausmaß an notwendiger exotischer Materie jeweils erheblich reduziert werden – ich will aber nicht behaupten, dass ich tatsächlich glaube, dass wir zeitnah mit Warpgeschwindigkeit durch das Weltall reisen werden. Und selbst wenn die feuchten Träume eines Aubrey de Grey (Ending Aging: The Rejuvenation Breakthroughs That Could Reverse Human Aging in Our Lifetime) bzw. eines Ray Kurzweils (The Singularity Is Near: When Humans Transcend Biology) von der radikalen Verlängerung der Lebensdauer der Menschen Wahrheit werde sollten, frage ich mich, ob wir Menschen wirklich die Sterne bereisen werden und, ob das überhaupt so nötig ist. Das ist aber eine ganz andere Frage.
Warum diese ganze Vorrede?
Ich glaube, dass es den Menschen heute an übergeordneten Visionen fehlt. Ich denke, dass ist ein Hauptgrund dafür, dass viele so willenlos akkumulieren und konsumieren. Im Mittelalter mag das Jenseits im Himmel eine Perspektive gewesen sein. Mit der schrittweisen Säkularisierung ging uns aber diese Fixierung auf ein allzu spekulatives Jenseits abhanden. Die immer größeren technischen Entwicklungen brachten uns dann die Science Fiction, die zumindest für mich während meiner Jugendzeit eine starke und positive Vision war. Ich bin letztlich darum Naturwissenschaftler geworden und habe mich darum für Computer begeistern gelernt.
In seinem Buch The Transition Timeline beschreibt Shaun Chamberlin vier mögliche Zukunftsperspektiven. Die erste Perspektive beschreibt eine Star-Trek-Zukunft nach der wir bald mit der interstellaren Raumfahrt beginnen werden und alle Probleme durch Zukunftstechnologien lösen werden, die zweite Perspektive beschreibt eine Welt, die sich nicht wesentlich verändern wird (außer vielleicht jährlich neue Smartphones), eine dritte beschreibt eine Weltuntergangsperspektive, nach der wir uns bald aufgrund des Cocktails selbstgemachter Krisen vom Antlitz des Universums tilgen werden. Die vierte ist die sogenannte Transition Timeline. Dieser Perspektive zufolge werden wir unser Wissen, unsere Gemeinschaft und unsere Fähigkeiten so einsetzen, dass es zwar einen Abschwung in puncto Energie- und Ressourcenverbrauch geben wird, dieser aber durch intelligente u.a. von permakulturellem Gedankengut inspirierten Lösungen nicht dazu führt, dass sich unser Wohlstand drastisch reduziert: zwar würden wir nicht mehr soviel konsumieren, aber unsere Bedürfnisse ggf. sogar besser, weil ganzheitlicher befriedigen können.
So sehr mir die Idee des Transition Timeline gefällt und so sehr ich auch die beharrliche Versicherung höre, es ginge bei Transition im Großen und Ganzen um einen wissensbasierten und freudvollen Übergang, glaube ich die Angst, die Trauer und die Wut spüren zu können, die sich in vielen zusammenbraut, wenn sie überhaupt von ihren bisherigen Vorstellungen Abschied nehmen müssen. Ich glaube Angst, Trauer und Wut sind keine guten Lehrmeister. Darum: obwohl ich mir der Möglichkeit des Peak Oils, des Klimawandels, der allgemeinen Ressourcenverknappung, der Degradation von Böden und Biodiversität im Klaren bin und auch weiß, dass wir Menschen letztlich viel zu wenig unsere sozialen und ökologische Bedürfnisse befriedigen, fehlt mir in der Perspektive der Transition Timeline trotzdem eine zusätzliche Vision. Eine Vision von der Größe der Apollo-Programms.
In einer Zeit, in der keinerlei Methoden zur künstlichen Energieerzeugung für die Durchführung mechanischer Arbeiten bekannt waren, haben viele vergangene Kulturen riesige architektonische Monumente geschaffen – und ich glaube kaum “die Außerirdischen” hätten nachgeholfen. Die Cheops Pyramide ist die älteste und größte der drei Pyramiden, sie wurde zur Zeit der 4. Dynastie des Alten Reichs um etwa zwischen 2620 bis 2580 v. Chr. gebaut. Das ist fast 5000 Jahre her. Sie ist 150 Meter hoch. Die Arbeiten dauerten vermutlich 20 Jahre und es waren dabei circa 6700 Menschen im Dauereinsatz. Die Bevölkerung des damaligen Reiches betrug circa 2 Millionen Menschen. Es sei dazu noch einmal wiederholt angemerkt, dass die alten Ägypter keinerlei Technologien kannten, mit der sich Energie erzeugen und so dirigieren ließ, dass die aufzubringende Muskelkraft hätte reduziert werden können.
Der Anteil der damaligen Gesamtbevölkerung Ägyptens, die am Projekt der Cheops-Pyramide arbeiteten betrug circa 0,335%. Ein Projekt mit ähnlichen Dimensionen würde im heutigen Deutschland eine Zahl von rund 275.000 Mitarbeitern bedeuten. Das einzige Projekt, dass dem am nächsten kam, was die Ägypter leisteten ist das Apollo-Programm mit dem Ziel der erfolgreichen Mondlandung Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre, in dessen Rahmen bis zu 400.000 Menschen beschäftigt waren.
Ich weiß nicht wie das (Selbst-)Bewusstsein der damaligen Ägypter war, aber es ist zu vermuten, dass die Fixierung auf die Ewigkeit damals ein Allgemeingut war. Und in gewisserweise sind die Pyramiden, aber auch die Bauwerke vieler anderer vergangener Kulturen ein Ebenbild der Langlebigkeit über Äonen.
Was haben wir da heute anzubieten?
Es ist schon seltsam, dass das einzig vergleichbar langlebige, dass die modern Menschen hervorgebracht haben eine Fahne auf dem Mond ist: zumindest kommt die Dokumentation “Life After People” zu dieser Schlussfolgerung. In dieser vielleicht gar nicht so fiktive Dokumentation wird die Entwicklung der Erde nach dem plötzlichen Verschwinden der Menschen nachgezeichnet. Es zeigt sich das eigentlich nichts von dem, was wir in modernen Zeiten gebaut haben 25.000 Jahre überstehen wird. Hypothetische Außerirdische würden nach der Dauer von 25.000 Jahren nach dem Verschwinden der Menschen am Wahrscheinlichsten unsere Hinterlassenschaften auf dem Mond entdecken.
Statt uns mit dem Dauerhaften zu beschäftigen sind wir in jeder Perspektive nicht nur nicht nachhaltig, sondern degenerativ in unserem Verhalten.
Auch wenn die Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre aufgrund des Kalten Krieges überschattet war, so bestand doch eine unglaubliche Triebkraft und ein mitreißender Enthusiasmus. Ein Tatendrang und eine Entdeckungsleidenschaft, die den Menschen letztendlich auf den Mond führen sollte. Und damals gab es nicht einmal im Ansatz Computer, die mit unseren heutigen vergleichbar wären. Ganz im Gegenteil. Die Leute waren einfach krasse Ingenieure.
Aber nun ist die letzte Mondlandung bereits 40 Jahre her (während meiner ganzen Lebzeit war kein Mensch mehr dort) und trotzdem unsere Industrieproduktion nun verständlicherweise langsam stagniert, so ist sie doch Jahrzehnte lang ununterbrochen angestiegen und mit ihr kam eine schier unglaubliche Zahl technischer Innovationen und dennoch waren wir noch nicht einmal wieder auf dem Mond und um ehrlich zu sein, ich bezweifle, dass wir mit unserer völlig schrägen Priorisierung dort überhaupt jemals wieder hinfliegen werden – geschweige den zum Mars oder zum just gestern entdeckten erdähnlichen Planeten, der um eine der Centauri Sonnen (Alpha Centauri B) kreist. Von anderen – ggf. für die Menschheit sinnvolleren Projekten ist auch wenig zu entdecken. Eigentlich ist das sehr bedauerlich.
Wenn man bedenkt, welche technischen Möglichkeiten wir uns leisten könnten, wenn wir unser Wissen und unsere Intelligenz so einsetzen würden, dass diese sinnlose Energie- und Ressourcenverschwendung aufhörte. Durch Wüstenrehabilitationen im Stile des Loess Rehabilitationsprojektes und durch den Aufbau lokalerer, resilienter und regenerative Wirtschaftsnahräume könnten wir Menschen uns sicher das ein oder andere visionäre Megaprojekt leisten. Projekte, die die Menschheit vereinen und uns mit Stolz erfüllen würden.
Zu Beginn könnten wir uns zwar nun ruhig mal auf das Chaos konzentrieren, was wir gerade anrichten, aber konsequent angegangen könnten wir uns – meiner Meinung nach – früher oder später auch einmal auf den Weg zum Mars – oder zum erdähnlichen Planeten um Alpha Centauri B machen. Vielleicht irgendwann sogar mit einem Alcubierre-Warpantrieb. Oder wir leisten etwas ganz anderes Großartiges. Bis dahin repariere ich – ganz im Sinne der Permakulturethik – die Erde ökologisch vor meiner Haustür und in meinem Garten, sozial in meiner Gemeinschaft und ökonomisch durch die Gründung öko-sozialer (Micro-)Enterprises – aber ohne zu vergessen, dass wir Menschen zu noch ganz anderen Sachen in der Lage sind.
Für mich sind das Streben nach Nachhaltigkeit und nach Zukunftsutopien kein unüberwindbarer Widerspruch. Singularitarier oder Neo-Luddist? Beides! Oder besser noch: Renaissance-Mensch.
Weitere Infos zu Alpha Centauri B bei Spektrum Online.