Die letzte Station unserer Low-Budget-Englandreise, von der ich auf meinem Blog berichten möchte ist unser 10tägiger Aufenthalt im Lammas-Ökodorf Tir Y Gafel im Herzen Wales. Tir Y Gafel ist das erste Lammas-Ökodorf und dort leben bis jetzt 9 Familien. Dort haben TJ und ich an verschiedenen nachhaltigen Bauprojekten (Strohballen und Holz) mitgearbeitet und viele weitere interessante Dinge über ein low-impact Leben auf dem Lande gelernt.
Lammas ist eine Organisation aus Wales, die die Entstehung und Entwicklung von Ökodörfern und -gemeinschaften aktiv fördert. Lammas hat sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt hat, dass die Regierung in Wales ein neues Landnutzungsrecht – One Planet Development – verabschiedet. Das One Planet Development erlaubt bei Einhaltung bestimmter Regeln auf erworbenen Acklerland zu kostengünstig und ökologisch zu bauen. Wales gehört damit in puncto Re-Rurisierung und in puncto Wahrnehmung seiner Verantwortung für die nähere und fernere Zukunft ein Musterbeispiel.
Einer der Hauptinitiatoren von Lammas und Tir Y Gafel ist Paul Wimbusch, der zuvor viele Jahre in verschiedenen Gemeinschaften bevor er Lammas und Tir Y Gafel mit den heutigen Bewohnern gründete. Zuerst lebte er im Tipi Valley einem keltischen Stamm von Erwachsenen und Kinder, die auf einem Gelände von 200 Hektar anarchisch zusammenleben und alle 6 Monate auf dem Gelände um – u.a. damit sich die Natur jeweils regenerieren kann. Als er irgendwann von der Regellosigkeit dieser Lebensform genug hatte zog er in die Gemeinschaft Brithdir Mawr, die geprägt von der Vision der Gründer ein enges, gemeinschaftliches Zusammenleben vorsah. Zunächst inspiriert durch die organisierte und damit effizientere Gemeinschaftlichkeit wurde ihm eines Tages klar, dass er noch anders leben wollte. Über ein kurzes Intermezzo in einer Haussiedlung begann ein Prozess an dessen Anfang die gemeinsame Vision eines Ökodorfes stand, die in Bilder umgesetzt auf einer Webseite plaziert wurde. Auf die Webseite aufmerksam geworden traten dann Menschen mit Land auf Lammas zu. Dann begann die konkretere Planung für das Landstück und die Umsetzung Schritt für Schritt, die Tir Y Gafel sein heutiges Gesicht verlieh. Wen die Geschichte interessiert, dem kann ich sehr Pauls Buch „The Birth of an Ecovillage“ ans Herz legen. Zum Bestellen hier klicken. Tatsächlich ist bereits ein zweites Ökodorf – Tir Teg – nach dem Vorbild von Tir Y Gafel in Planung.
In Lammas ist auch Simon Dale zuhause, der bereits vor dem Zuzug nach Tir Y Gafel ein Rundhaus am Hang gebaut hat und darüber auf dieser Webseite ausführlich geschrieben hat, die ich gegenwärtig für ihn ins Deutsche übersetze. Über Jasmins und Simons Plot werde ich später noch einmal einen separaten Artikel schreiben.
Mehr zu „One Planet Development“
Wer sich in Wales Ackerland kauft und
- anhand eines nachvollziebaren Business-Planes nachweisen kann, das er für sein Einkommen Land benötigt
- Teile seiner selbstverzehrten Lebensmittel erzeugt bzw. seine Abfallentsorgung selbst auf dem Land organisiert
- einen Analyse zum ökologischen und Kohlendioxid-Fußabdruck einreicht
- die Biodiversität des zu beziehenden Landes bewertet und nach und nach verbessert
- die positiven wie negativen Einflüsse auf die Nachbarscharn beschreibt und
- das zu erwartenede Transportaufkommen evaluiert
und dabei letztlich einen Verbrauch kleiner bzw. gleich der Hälfte des Durchschnitts-Walisers erreicht (2,4 globale Hektar anstatt 4,8), der darf auf seinem Ackerland bauen und dort Leben.
Das hört sich zunächst nach einem aufwendigem Paper-Prozedere an – was es auch ist – es lohnt sich aber: Ackerland kostet nur 1/100 soviel wie Bauland. Außerdem ist es im Rahmen des Lammas Projektes deutlich leichter ökologische Baukonzepte bei den Behörden in Wales anzumelden und genehmigt zu bekommen, was heißt, dass deren Gebäude im Selbstbau zwischen 5.000 und 30.000 Pfund (circa 6.500-38.000 Euro) für circa 80-140qm kosten. Sämtliche Planungsdokumente des Ökodorfs Tir Y Gafel stehen frei auf deren Webseite (hier klicken) zur Verfügung.
Der Hintergrund ist, dass die Regierung von Wales erkannt hat, dass Erdöl und andere Güter knapper werden und daher in Zukunft eine Versorgung der Bevölkerung vom eigenen Land – ohne große Inputs aus Dünger, Pestiziden usw. nötig sein wird. Das One Planet Development soll es nun Menschen ermöglichen auf dem Land für ihr und das Auskommen anderer Menschen zu arbeiten. Meiner Meinung nach brauchen wir derartige Landnutzungsrechte auch dringend in Deutschland!
Immerhin wird bei zunehmenden Energiekosten resultierend aus der Verknappung der Energieressourcen wieder eine Landwirtschaft notwendig, die nicht wie gegenwärtig pro erzeugter Nahrungsmittelkalorie 10 Kalorien fossiler Energie verschlingt, sondern eine, die aus sich und dem nachhaltigem Umgang mit dem Land heraus 10 Leute ernährt, d.h. die für sie notwendige Energie ohne äußere Inputs erzeugt.
Ein Plot im ersten Lammas Dorf Tir Y Gafel kann man sich wie folgt vorstellen: es gibt mehrere Strohballen-, Holz- oder Rundhäuser von denen eines zum Wohnen und je nach Plot 1-2 für Arbeiten oder Lagerung verwendet werden. Jeder Besitzer eines Plots kann den Wald – zur Ernte von Feuerholz und Bauholz mitverwenden. Gemeinsam wird ein aus einer eigenen Quelle entspringender Fluß für Wasserversorgung und Stromerzeugung verwendet. Jeder Bewohner hat ein oder mehrer Mikrounternehmen, die sie zum Verdienen von Geld betreiben. Darunter befinden sich Wurmfarmen, Eier von Hühnern und Enten, Hühner, Kaninchen und Schweine als Fleischquelle, Milchkuhzucht, spezielle Korbflecht- und Schnitzarbeiten, alte einjährige und mehrjährige Gemüse, Obstanbau, Blumenanbau usw.
Entsprechend der permakulturellen Prinzipien: „Ein Element mehrere Funktionen, jede Funktion durch mehrere Elemente“ sind dies Mikounternehmungen in das Lebenskonzept der Plotbewohner integriert. Beispielsweise ist die alte und bedrohte neuseeländische Schweinerasse Kune Kune sehr robust und benötigt kein Kraftfutter und ist damit ein ideales Weideschwein. Ihre freundliche und intelligente Art macht die Arbeit mit ihnen zu einer Freude und ihre Tendenz zu graben hilft kompaktierten Boden zunächst vorzulockern. So vorbereitet kann der Boden nun mit Kartoffeln besät und durch deren Wachsen weiter aufgelockert werden. Die Schweine können unterdessen das nächste Feldstück auflockern.
Für mich war der Aufenthalt in Tir Y Gafel ein leuchtender Beweis und ein inspirierendes Beispiel dafür, dass ein alternatives und nachhaltiges – ein sanftes Leben auf der Erde – wie Paul Wimbusch es ausdrücken würde – möglich ist.